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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Wiedersehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Können Sie mir Bescheid sagen, wenn Sie sie sehen?«
    »Und wie soll ich das tun, selbst wenn ich es wollte?«
    »Sou-Hon«, sagte Perreault.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Das ist mein Name. Sou-Hon. Ich kann die Mechfliegen so programmieren, dass sie Ihre Stimme erkennen. Wenn sie hören, dass Sie meinen Namen rufen, lassen sie es mich wissen.«
    »Aha«, sagte Amitav.
    »Nun?«
    Amitav lächelte. »Rufen Sie uns nicht an. Wir rufen Sie an.«

Einladung zum Tanz
    In South Bend tötete die Meerjungfrau einen Menschen.
    Willapa Bay ragte in die Zone hinein wie ein zwölf Kilometer breites Geschwür. Die staatliche Überwachung dieser Bresche war nicht auf Menschen ausgerichtet, die nach Belieben den Atem anhalten konnten, und nun lag die Küste bereits fünfzehn Klicks hinter ihr. So weit landeinwärts war die vom Erdbeben ausgelöste Flutwelle von Landzungen und einer breiten, klotzigen Insel aufgehalten worden, die wie eine Zyste die Bucht verstopfte. Hier hatte das Jahrhundertbeben kaum Spuren hinterlassen. Die Trümmer und die Verwüstungen waren schon vorher dagewesen.
    Nach Mitternacht ging sie in einem dunklen, zerfallenen Teil des Hafens an Land, der schon vor langer Zeit der sich langsam ausbreitenden Ölpest des vergangenen Jahrtausends anheimgefallen war. Nervöse Fußgänger, die so spät nachts noch unterwegs waren und sie am Rande des Stadtkerns sahen, beschleunigten ihre Schritte, um rascher von A nach B zu kommen. Als Clarke das letzte Mal über zivilisierte Straßen gelaufen war, hatte es an jeder Straßenecke Automaten gegeben, die kostenlose Armbanduhren ausspuckten. Ein halbherziges Zugeständnis an all jene, die die Massen durch den Zugang zu Informationen ermächtigen wollten. Hier konnte sie keine Automaten entdecken, nur eine alte Telefonzelle, die im Zwielicht der Neonlampen Wache hielt. Sie befragte sie nach ihrem Standort. Sie war hier , teilte die Telefonzelle ihr mit. Und Yves Scanion lebte dort , dreihundert Kilometer weiter im Nordosten.
    Er würde sie nicht erwarten. Sie verschmolz wieder mit der Dunkelheit. Gleichgültige Sicherheitskameras reduzierten sie auf eine flüchtige Ansammlung von Infrarotpixeln.
    Sie stieg über das Betongeröll zu dem mit einem Ölfilm überzogenen Ufer hinab. Als sie ihre Schwimmflossen anziehen wollte, drang etwas an ihr Ohr: gedämpfte, vertraut klingende Geräusche aus einem aufgegebenen Zollamt.
    Es hätte das Zersplittern verrotteter Planken sein können. Vielleicht ein Stiefel, der auf Rippen traf und von Fleisch abgefangen wurde. Clarkes Kehle schnürte sich zu. Es gibt unzählige Dinge, mit denen man auf einen menschlichen Körper einschlagen konnte. Sie hätte die verschiedenen Geräusche, die dadurch erzeugt wurden, nicht einmal alle aufzählen können.
    Sie vernahm ein Wimmern, so schwach, dass es kaum zu hören war: »Verdammt, Mann …« Das leise Summen einer elektrischen Entladung. Ein Stöhnen.
    Ein Betonweg führte um das verfallene Amtsgebäude herum. Gerümpel stapelte sich an seinen Mauern – eine Stolperfalle für jeden, der nicht mit Nachtsicht gesegnet war. Auf der anderen Seite des Gebäudes ragte eine Anlegestelle auf hölzernen Pfählen ins Hafenbecken hinein. Auf der Plattform standen zwei Gestalten: ein Mann und eine Frau. Vier weitere lagen zuckend zu ihren Füßen. Eine Polizeimechfliege ruhte schlafend auf dem Kai; sie war vorsichtshalber ausgeschaltet worden.
    Theoretisch war es kein Angriff. Die beiden Aggressoren trugen Uniformen und Dienstmarken, die ihnen das Recht verliehen, zusammenzuschlagen, wen immer sie wollten. Heute hatten sie sich ein paar Jugendliche ausgesucht, die wie ausgenommene Fische auf den teer-ölbefleckten Planken lagen. Ihre Körper zuckten von den spastischen Nervenentladungen, die der Elektroschocker erzeugte. Sonst reagierten sie nicht weiter auf die Stiefel, die ihnen in die Seite traten. Clarke schnappte Bruchstücke einer Unterhaltung zwischen den Uniformträgern auf. Es ging um eine Verletzung der Sperrstunde und den unbefugten Zutritt zum Mahlstrom.
    Sowie um Hausfriedensbruch.
    »Und das auch noch auf Regierungsgelände«, stellte der Mann fest und machte mit einem Arm eine ausladende Geste, die das ganze Hafenbecken umfasste, die Pfähle, das verfallene Amtsgebäude, Lenie Clarke …
    … Mist, er trägt Nachtsichtgläser. Beide tragen sie …
    »Sie da!« Der Polizist machte einen Schritt auf das Amtsgebäude zu und deutete mit dem Elektroschocker

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