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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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auf die Schatten, die Clarke nicht mehr länger verbargen. »Treten Sie zurück! Entfernen Sie sich von dem Gebäude!«
     
    Es hatte einmal eine Zeit gegeben, auch wenn es lange her war, da hätte Lenie Clarke ohne nachzudenken gehorcht. Sie hätte den Befehlen Folge geleistet, obwohl sie wusste, was kommen würde. Denn sie hatte gelernt, dass man mit Gewalt am besten umging, indem man den Mund hielt und es hinter sich brachte . Natürlich würde es weh tun. Das war schließlich der Sinn und Zweck des Ganzen. Aber es war besser als die ständige Übelkeit, die Erwartung , die endlosen Zeitspannen zwischen den Übergriffen, wenn man nur darauf warten konnte, dass es geschah.
    Noch vor kurzem wäre sie einfach nur davongelaufen. Oder hätte sich zumindest zurückgezogen. Das geht mich nichts an , hätte sie sich selbst gesagt und wäre verschwunden, bevor irgendjemand sie auch nur bemerkt hätte. Das hatte sie getan, als Mike Brander Gerry Fischer als Sündenbock für all jene benutzt hatte, die ihm die Kindheit zur Hölle gemacht hatten. Es war mich nichts angegangen , als Branders wütendes Geschrei und das Geräusch von Fischers brechenden Knochen die Station Beebe erfüllt hatten. Es war mich nichts angegangen , als Brander Schicht um Schicht im Schleusenraum Wache gehalten und darauf gewartet hatte, dass Fischer zurückkehrte. Irgendwann hatte sich Fischer von einem Mann in ein Kind und schließlich in ein Reptil zurückentwickelt, eine leere Chiffre, die am Rande der Riftzone lebte und nichts Menschliches mehr an sich hatte. Selbst dann noch war es Lenie Clarke nichts angegangen.
    Aber Fischer war nun tot. Und Lenie Clarke ebenfalls. Sie war mit den anderen gestorben: Alice und Mike und Ken und Gerry. Sie alle waren in siedend heißen Dampf verwandelt worden. Sie waren gestorben, und als der Stein beiseite gerollt wurde und der Ruf Lazarus, komm heraus ! erklang, da waren es nicht Lenie Clarkes Freunde gewesen, die aus dem Grab auferstanden waren. Es war nicht einmal Lenie Clarke selbst gewesen. Jedenfalls nicht das schwächliche, sich windende Opfer, das sie in ihrer Zeit als Landratte gewesen war. Und auch nicht die undurchsichtige, verpuppte Larve, in die sie sich unten in der Riftzone verwandelt hatte. Es war etwas gänzlich Neues gewesen: ein aus dem Säurebad auferstandenes, weißglühendes Abbild einer Lenie Clarke, die es nie gegeben hatte.
    Jetzt sah sie sich einem vertrauten Symbol gegenüber – einer Autoritätsfigur, die es gewohnt war, Befehle zu geben und eifrig von ihrem Recht Gebrauch machte, anderen Gewalt anzutun. Doch in Clarkes Augen war es kein Befehl, dem sie Folge leisten musste. Und auch kein Grund, die Flucht zu ergreifen.
    Für die Lenie Clarke der zweiten Generation war es eine längst überfällige Einladung zum Tanz.

Pixelpal
    BCB5932 AUSLÖSEIMPULS/ABGEFANGENE NACHRICHT
    Objektklasse: Datenpaket/gutartig
    Objektgattung: pers. Komm. (NI)/Paket 7 von 23/Stimmmodem dechiffriert
    Objektquelle: nicht identifizierbar
    Zieladresse: mehrere Adressaten (cc verschickt)
    AUSWAHLKRITERIUM: 255-CHR KLAMMER INI/FIN
    IMPULS AUSGELÖST.
    AUSSCHNITT BEGINNT
     
    … dass wir nicht ewig damit durchkommen. Ein bisschen zu metallisch, wenn ihr versteht, was ich meine. Na, jedenfalls haben sie uns noch nicht auf frischer Tat ertappt.
    Allerdings sind wir vor ein paar Tagen erwischt worden, wegen etwas ganz anderem. Nur dass wir dieses Mal zufällig diesem Racheengel begegnet sind. Kein Scheiß. Lenie Clarke hieß sie. Wir waren wohl selbst schuld, denke ich. Haben nicht nach Lecks Ausschau gehalten, als wir uns eingeloggt haben. Na, jedenfalls haben uns les beus geschnappt. Sie haben alle kassiert, außer Haj und mich, und was hätten wir anderes tun sollen, als wegzulaufen? Die anderen lagen allesamt am Boden, als plötzlich diese K-Strategin aus dem Nichts auftaucht. Sah aus wie eines dieser alten Monster aus den Büchern, die mit den Zähnen … ihr wisst schon, Vampire. Ganz in Schwarz und trägt die absolut dicksten ConTacs, die ihr je gesehen habt, dicker noch als die von les beus . Man konnte kaum ihre Augen darunter erkennen. Na, jedenfalls kommt sie einfach so aus dem Dunkeln und geht direkt auf sie zu.
    Eigentlich hätte sie keine zwei Sekunden durchhalten dürfen. Aber sie schien die Elektroschocker gar nicht zu bemerken . Ich glaube, ihr Anzug überträgt keine elektrischen Ladungen, aber trotzdem. Sie war nicht einmal besonders groß, wisst ihr? Und die haben ordentlich auf sie

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