Maienfrost
Staatsanwaltschaft zur Bestattung freigegeben. Wie Sie festgestellt haben dürften, stehen unserem Institut augenblicklich nur noch Lisa Ahrens sterbliche Überreste zur Verfügung. Es wird gemunkelt, dass das Bundeskriminalamt plant, sich in den Fall einzuschalten. Wenn Sie die Leiche also noch einmal obduzieren wollen, würde ich vorschlagen, es jetzt gleich zu tun.«
»Ich glaube, das hätte wenig Sinn«, gab Leona zur Antwort. »Davon ausgehend, dass Sie bereits alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft haben, würde ich sicher nur Ihre und meine Zeit vergeuden. Aber eine Bitte hätte ich trotzdem: Sie haben doch bestimmt wie üblich die Autopsie der beiden Leichen auf Ihrem Diktaphon dokumentiert. Wenn Sie mir davon einen Mitschnitt anfertigen lassen könnten, wäre ich Ihnen dankbar.« Ihren Wunsch begründend fügte Leona hinzu: »Meiner bisherigen Erfahrung nach ist ein auf Band gesprochenes Protokoll zumeist aussagefähiger, als die zu Papier gebrachte Quintessenz daraus.«
Doktor Probst griff nach dem Telefonhörer, wählte die Nummer seiner Sekretärin und bat sie, ihm schnellstmöglich Kopien der beiden Bandansagen zu erstellen. »Das wäre geregelt«, meinte er lächelnd.
Leona bedankte sich. »Da wäre noch etwas«, gestand sie. »Um die Opfer miteinander vergleichen zu können, würde ich gerne einen Blick auf die Tatortfotos werfen wollen. Meinen Sie, das wäre möglich?«
»Ich dachte mir schon, dass Sie diese Bitte äußern würden. Leider liegen mir die Aufnahmen nicht vor. Sie befinden sich unter polizeilichem Verschluss.«
Der Rechtsmediziner erzählte ihr von den beiden Kriminalbeamten, die ihm kürzlich einen Besuch abgestattet hatten. »Einer davon, ein bereits pensionierter Kommissar, schien nicht abgeneigt, bei der Klärung des Falls auch außergewöhnliche Wege zu beschreiten. Nach unserem gestrigen Telefonat habe ich mich mit ihm in Verbindung gesetzt, ihm von ihrem Anruf erzählt und ihn gebeten, uns Einsicht in die ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen einschließlich der Tatortfotos zu gewähren.«
Doktor Probst warf einen Blick auf seine Armbanduhr: »Er müsste schon längst hier sein, wir waren für achtzehn Uhr verabredet.«
»Vielleicht steckt er ja im Stau«, gab Leona zu bedenken.
»Das könnte gut möglich sein. Schließlich muss er über den Rügendamm, was bedeutet, Zeit einzuplanen.«
Leona nickte. »Wem sagen Sie das! Allein von der Autobahnabfahrt Rostock bis hierher habe ich über zwei Stunden gebraucht. Normalerweise würde ich nicht einmal die Hälfte der Zeit benötigen.«
Bevor Doktor Probst sich zu diesem leidigen Thema äußern konnte, klopfte es an der Tür. Henning Lüders betrat den Raum. »Es tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe«, entschuldigte er sich, nachdem er sich Leona vorgestellt und den beiden Rechtsmedizinern die Hand gereicht hatte. »Aber auf den Straßen war mal wieder der Teufel los«, ergänzte er, als er auf dem noch freien Stuhl neben der jungen Frau Platz nahm. Verstohlen musterte er sie. Was er sah, gefiel ihm. Leona war apart. Sie besaß ein schmales Gesicht voller Sommersprossen und unergründlich grün schimmernder Augen. Auf reizvolle Weise kontrastierte ihre auffallend helle Haut mit ihrem rötlich glänzenden Haar, das sich in krauser Lockenpracht über ihre Schultern ergoss.
Nachdem es Henning gelungen war, sich von ihrem Anblick loszureißen, öffnete er seinen Aktenkoffer und entnahm ihm einen Ordner. Während er ihn aufschlug, stellte er klar, dass sich rein rechtlich gesehen diese Unterlagen gar nicht in seinem Besitz befinden dürften. »Dass ich dennoch darüber verfüge, ist allein dem guten Willen einer mir nahe stehenden Person zu verdanken. Ich möchte sie beide daher bitten, Stillschweigen über unser Gespräch zu wahren. Wenn irgendetwas davon nach außen durchsickern sollte, riskiert mein Freund eine Strafanzeige. Was das für ihn für Konsequenzen hätte, können Sie sich sicher denken.«
»Sie können sich auf uns verlassen«, versprach Leona. »Wir haben nicht vor, Ihre Hilfsbereitschaft, die wir durchaus zu schätzen wissen, auszunutzen. Aber um den Fall zu lösen, sind wir schlicht und einfach auf Unterstützung angewiesen. Selbst wenn wir herausfinden sollten, woran die Frauen starben, würde das noch lange nicht ausreichen, einen möglichen Zusammenhang zwischen einem dreizehn Jahre zurückliegenden Verbrechen und den jetzigen Morden nachzuweisen. Deshalb erachte ich es für
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