Maienfrost
denken soll. Jahrelang schon versuche ich erfolglos dem Geheimnis des Todes zweier junger Menschen auf die Spur zu kommen. Und dann, so mir nichts, dir nichts, präsentiert sich die mögliche Lösung in einer derart simplen Form, die ich niemals vermutet hätte. Du musst entschuldigen. Aber das muss ich erst einmal verdauen. Wird dieses Mittel häufig verschrieben?«
Angela gab ein kurzes gequältes Lachen von sich. »Es wird nicht verschrieben. Du bekommst es rezeptfrei.«
»Was!?«
Ohne auf den ungläubigen Aufschrei ihrer Freundin einzugehen, schränkte die Apothekerin ein: »So weit mir bekannt ist, haben es aber nur wenige Apotheken auf Lager. Lass mich kurz im Computer nachschauen, dass ich dir nichts Falsches sage. Das kann allerdings ein paar Minuten dauern. Vielleicht sollten wir erst einmal auflegen. Du könntest nachher noch einmal zurückrufen, einverstanden?«
Selbst im Hinblick auf die mit Sicherheit horrende Telefonkostenrechnung bestand Leona darauf, zu warten, bis sie sich kundig gemacht hatte. Ihre Erregung hatte mittlerweile ein Stadium erreicht, welches keinerlei weitere Verzögerungen duldete. Sie musste endlich wissen, woran sie war. In ihrer grenzenlosen Nervosität begann sie an ihren Fingernägeln zu kauen. Das hatte sie seit ihrer Schulzeit nicht mehr getan.
Voller Ungeduld wartete sie darauf, dass Angela sich zurückmeldete. Schon Minuten später wurde der Hörer am anderen Ende der Leitung wieder aufgenommen. Mit starkem Rauschen vermischt, vernahm Leona die Stimme ihrer Freundin. »Ich habe herausgefunden«, verkündigte diese ihr, »dass es da außerdem noch ein kaliumchloridhaltiges Infusionspräparat gibt. Patienten mit Kaliummangel werden damit behandelt. Ich schätze mal, dass die meisten Intensivstationen es vorrätig haben.«
»Lass mich noch einmal zusammenfassen«, bat Leona. »Nur um zu sehen, ob ich das jetzt auch richtig verstanden habe. Wenn mir jemand eine Spritze mit ausreichenden Mengen verdünnten Kaliums verpasst, dann sterbe ich. Würde man meinen Leichnam dann nicht innerhalb der nächsten Stunde obduzieren, könnte man lediglich feststellen, dass ich tot bin, nicht jedoch woran ich starb, ist das soweit korrekt?«
»Allerdings.«
»Willst du mir damit zu verstehen geben, dass es unmöglich ist, einen Beweis zu erbringen?«
Die Apothekerin dachte kurz nach. »Ich würde natürlich nach Einstichstellen suchen. Aber das müsstest du doch besser wissen als ich. Schließlich bist du von uns beiden die Rechtsmedizinerin.«
»Glaubst du, ich hätte das nicht bedacht? Aber es gab keine. Weder meinem Großvater noch Doktor Probst ist diesbezüglich etwas aufgefallen.«
»Willst du damit etwa andeuten, selbst keine der Leichen obduziert zu haben?«
»Ich habe mich darauf verlassen, was im Autopsiebericht stand …«
»Ja dann.«
»Was heißt hier ja dann. Glaubst du etwa, einer der beiden Männer hätte geschlampt? Das kannst du vergessen. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie das Vorhandensein von Einstichstellen erwähnt hätten, wenn sie ihnen aufgefallen wären. Dafür war ihnen die Angelegenheit viel zu wichtig. Jedoch …«, brach Leona, nachdenklich geworden, ab. Ihr war eingefallen, dass in keinem der Obduktionsberichte vermerkt war, dass man den Leichen die Köpfe rasiert hatte. »Möglicherweise hat der Mörder ihnen das Mittel in die Schläfen gespritzt. Das wäre zwar ungewöhnlich, aber denkbar. Anscheinend zogen weder mein Großvater noch Doktor Probst diese Möglichkeit in Betracht. Zu meiner eigenen Schande muss ich gestehen, dass auch ich sie bisher außer Acht ließ. Ich denke wir können davon ausgehen, dass die Schläfenpartie nicht nach Einstichstellen untersucht wurde. Bei Carmen Austen und bei Lea Goldbach müssen wir den Beweis wohl schuldig bleiben. Aber mit ein wenig Glück, liegt Lisa Ahrens noch in der Rechtsmedizin. Im Anschluss an unser Gespräch werde ich Doktor Probst anrufen, um mich zu vergewissern.«
Leona wollte sich gerade bei ihrer Freundin bedanken, als ihr noch etwas einfiel. »Sag mal, hinterlässt Chlor denn keine Spuren?«
»Im Gegensatz zu Kalium, ist eine Steigerung bei den Chloreinheiten weder gefährlich noch auffällig. Wenn ich es recht bedenke, dann ist das wirklich eine Möglichkeit für den perfekten Mord. Ich gehe aber mal davon aus, dass eine Kaliumbestellung in der Apotheke auffällt. Schon mal deshalb, weil das eher ungewöhnlich ist. Aber der Mörder kann sich seine teuflischen Zutaten ja
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