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Maienfrost

Maienfrost

Titel: Maienfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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derart erschreckend und zugleich so einleuchtend, dass sie es im wahrsten Sinne des Wortes mit der Angst zu tun bekam. Ihre Hände begannen unkontrolliert zu zittern.
    Die Antwort lag nicht in der Abhandlung. Diese hatte ihr lediglich als Denkanstoß gedient. Die junge Frau spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. Sie musste unbedingt mit einem Apotheker sprechen. Angela Endler, eine Studienfreundin, die in der Nähe von Braunschweig eine kleine Apotheke betrieb, fiel ihr ein. In fliegender Hast begann Leona in ihrer Tasche nach dem Handy und ihrem Terminplaner, von dem sie hoffte, dass er Angelas Telefonnummer enthielt, zu suchen. Unter E nachschlagend wurde sie fündig. Mit zitternden Händen tippte sie die Zahlenkombination ein. Die erhoffte Verbindung jedoch blieb aus. In ihrem Eifer hatte die junge Frau nicht einkalkuliert, dass sich so weit draußen auf dem Meer nur schwerlich eine Funkverbindung aufbauen ließ. Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte ihr an, dass sie erst in einer reichlichen Stunde im Heimathafen einlaufen würden. Die Zeit bis zur Ankunft der Fähre lief Leona wie ein eingesperrtes Tier auf und ab. Sie konnte es gar nicht erwarten, wieder festen Boden unter den Füßen zu verspüren, um sich Gewissheit zu verschaffen. Immer wieder versuchte sie aufs Geradewohl ihr Glück. Kurz bevor das Schiff anlegte, kam die ersehnte Funkverbindung zustande. Von starkem Rauschen überschattet, vernahm sie Angela Endlers Stimme. Nachdem sie sich hastig gemeldet hatte, versuchte Leona ihren Verdacht in Worte zu fassen. Aufgrund des daraufhin herrschenden Schweigens befürchtete sie schon, die Verbindung sei unterbrochen worden. Aufatmend hörte sie, wie Angela sich nach dem Stoff erkundigte.
    »Es geht um Kalium. Kannst du mir sagen, was das ist?«
    »Das ist ein Grundstoff«, ließ die Pharmazeutin sich vernehmen, »der sich in unseren Zellen befindet.«
    Weil ihr die Antwort zu allgemein ausfiel, hakte Leona nach »Das begreife ich nicht. Wie …«
    »Um es mal ganz einfach auszudrücken«, versuchte Angela ihr zu erklären, »es gibt einen gewissen Kaliumspiegel in den menschlichen Zellen. Der ist für uns lebensnotwendig. Wenn wir sterben, muss man sich das so vorstellen, dass unsere Zellen dann anfangen auszulaufen, sie lecken, wenn du weißt, was ich meine … In kürzester Zeit, ich würde sagen, schon innerhalb von ein oder zwei Stunden, steigt der Kaliumspiegel in der Flüssigkeit, die die Zellen umgibt, beträchtlich an. Das ist ein sicheres Indiz dafür, dass jemand, um es ganz einfach auszudrücken, tot ist.«
    Leona spürte, wie ihr Adrenalinspiegel nach oben schoss. »Wenn ich dich eben richtig verstanden habe, dann ist es also keinesfalls Aufsehen erregend, sondern vielmehr ganz normal, dass der Kaliumspiegel außerhalb jeder Zelle nach dem Tod ansteigt?«
    »Genau. Das Fatale an der Sache ist, dass dieser Spiegel auch dann ansteigt, wenn jemand dem Körper, dem lebenden wohlgemerkt, Kalium zuführt. Infolge dessen kommt es zum Herzstillstand.«
    »Aber man muss diesen Stoff doch irgendwie nachweisen können. Ich …«
    »Hast du denn nicht zugehört, was ich eben sagte«, unterbrach die Apothekerin Leonas Erklärungsversuche. »Wenn jemand an einer Kaliuminjektion stirbt, dann ist die Todesursache nicht nachweisbar. Es sei denn, er landet unmittelbar, nachdem er gestorben ist auf dem Obduktionstisch. Verstreicht jedoch mehr als eine Stunde, dann wird der erhöhte Kaliumspiegel dem Tod an sich zugeschrieben.«
    Die erhaltene Auskunft wog schwer. »Kannst du mir mal verraten, wo um alles in der Welt ich diesen Giftstoff herbekomme?«
    »Kalium ist kein Gift! Jeder Mensch, der sich normal ernährt, verleibt es sich ganz zwangsläufig ein. Natürlich nicht in großen Mengen versteht sich.«
    »Aber wie, ich meine woher …?«
    »Du willst wissen, woher du es bekommst? Ganz einfach. Du kannst es in der Apotheke kaufen. Obwohl«, verbesserte sich Angela, »das ist wohl nicht ganz korrekt. Das was verkauft wird, ist Kaliumchlorid. Und wenn du das in die Blutbahn injizierst, dann spaltet es sich in Kalium- und Chlor-Ionen, um es mal ganz lapidar auszudrücken. Dabei darf die Lösung, in die Kaliumchlorid gemischt wird nicht zu stark sein. Anderenfalls würden die Blutgefäße in Mitleidenschaft gezogen. Kannst du mir noch folgen?«, erkundigte sich Angela, nachdem es auf ihre Ausführungen hin sekundenlang still in der Leitung geblieben war.
    »Das ist alles so unheimlich. Ich weiß gar nicht was ich

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