Maienfrost
auch anderweitig besorgt haben. Denk bloß mal an die vielfältigen Möglichkeiten im Internet. Vielleicht hat er sich das Zeug ja auch im Ausland besorgt? Wer weiß?«
»Genauso gut könnte es auch ein Kollege von dir sein«, mutmaßte Leona.
»Oder von dir«, konterte Angela. »Meiner Meinung nach ist es kaum möglich, den in Betracht kommenden Personenkreis einzugrenzen.«
»Warum entschied er sich ausgerechnet für Kalium? Kannst du dir das erklären?«
»Ich schätze mal, er wollte damit seine Überlegenheit demonstrieren. Jemand mit niedrigem Intellekt steckt da mit Sicherheit nicht dahinter. Das muss ein eiskalt planender Psychopath sein. Nach dem, was du mir erzählt hast, drängt sich mir zumindest dieser Eindruck auf. Außerdem spricht dafür, dass er seine Opfer betäubt hat, bevor er sie umbrachte.«
Leona bedankte sich bei ihrer Freundin für deren Hilfe. Nachdem sie ihr versprochen hatte, sie über den Stand der Dinge auf dem Laufenden zu halten, beendete sie das Telefonat. Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass bis zum Einlaufen der Fähre noch genügend Zeit war, um Doktor Probst von ihrer Entdeckung Mitteilung zu machen. Sie versuchte es zuerst im Institut. Als dort niemand abnahm, probierte sie es unter der Privatnummer des Pathologen. Sie hatte Glück. Er war zuhause. Alarmiert hörte er sich an, was sie ihm zu berichten hatte. Aufgrund der Tatsache, dass sich mittlerweile das LKA in den Fall eingeklinkt hatte, sollten Lisa Ahrens sterbliche Überreste am nächsten Tag nach Greifswald überführt werden. Doch noch lagen sie bei ihm. Doktor Probst sicherte seiner Kollegin zu, den Leichnam nochmals nach Einstichstellen im Schläfenbereich hin zu untersuchen. Dass er nicht auf den Gedanken kam, sie zu rasieren, war darauf zurückzuführen, dass er dieser Möglichkeit bisher schlichtweg keine Beachtung geschenkt hatte. Doch noch war glücklicherweise Zeit, Versäumtes nachzuholen. Der Rechtsmediziner versprach, sich bei Leona zu melden, sobald er Näheres in Erfahrung gebracht hatte.
13
Von dem soeben Gehörten noch völlig benommen, verließ Leona inmitten der an Land strömenden Menschenmenge die Fähre. Sie war keines klaren Gedankens fähig. Erst als sie auf den verglasten Durchgang zusteuerte, der das Fährterminal mit Fahrstuhl und Treppenhaus verband, begann sich das in ihrem Kopf herrschende Chaos ein wenig zu lichten. Sie versuchte Henning zu erreichen, um ihn an ihrer sensationellen Entdeckung teilhaben zu lassen. Es schaltete sich jedoch nur seine Mailbox ein, um ihr mitzuteilen, dass der gewünschte Teilnehmer momentan nicht erreichbar sei. Nachdem der Aufzug sie zusammen mit einer Hand voll Mitreisenden zum Ausgang gebracht hatte, ging Leona zu ihrem Auto. Während sie in Richtung Mönchgut fuhr, versuchte sie erneut Henning zu erreichen. Kurz nach einundzwanzig Uhr traf sie in Lobbe ein. Als die junge Frau in den von der Hauptstraße abzweigenden Feldweg einbog, sah sie schon von weitem den dunkelblauen Polo des Kommissars in der Einfahrt seines Grundstücks stehen. Wie sich herausstellte, war er kurz vor ihr eingetroffen. Sein Handy lag ausgeschaltet im Handschuhfach seines Wagens.
Leona war erleichtert und froh ihn wieder zu sehen. Während sie in der hereinbrechenden Dämmerung nebeneinander zum Haus gingen, erzählte ihm die Rechtsmedizinerin, was sie herausgefunden hatte. »Und deshalb«, schloss sie ihren Bericht, »warte ich nun darauf, dass Doktor Probst sich zurückmeldet, um mir meinen Verdacht zu bestätigen.« Henning, der ihr schweigend zugehört hatte, schüttelte ungläubig den Kopf. »Was Sie mir erzählt haben, klingt in meinen Ohren nach dem perfekten Mord.«
Erschüttert holte der Kommissar seinen Schlüsselbund hervor, um die Haustür aufzusperren. »Ich denke, Peer sollte so schnell wie möglich davon erfahren. Ich werde ihn anrufen.«
Die Umhängetasche überm Arm, folgte ihm Leona in die Küche. Der Kommissar steuerte den dort stehenden Telefonapparat an und wählte die Privatnummer seines Freundes. Nachdem die Verbindung zustande gekommen war, bat Henning ihn vorbeizukommen.
Wenig später saßen sie sich zu dritt am Küchentisch gegenüber. Um ihrer wachsenden Unruhe Herr zu werden und gleichzeitig etwas Nützliches zu tun, hatte Leona einen Teller mit belegten Broten angerichtet und eine Kanne Kräutertee gekocht. Ausgehungert langten die beiden Männer zu. Auch Leona nahm sich eine der Schnitten. Noch während sie an den letzten Resten ihres
Weitere Kostenlose Bücher