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Maienfrost

Maienfrost

Titel: Maienfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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Während er mit weit aufgerissenen Augen auf die bestialisch zugerichtete junge Frau starrte, die dort lag, war keine Spur mehr von seiner für gewöhnlich zur Schau getragenen Überheblichkeit zu spüren. Nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hatte, näherte er sich mit butterweich gewordenen Knien dem Leichnam. Mit jedem seiner Schritte verstärkte sich sein Entsetzen. Erkannte er doch in der Toten seine Kollegin Vanessa Rothe wieder, die in unzähligen Aufführungen an seiner, des Grafen Paris Seite als Julia glänzte.
    Unter dem, in ihrem Haar befestigten Schleier schaute eine schwarze Locke hervor. Vanessas Augen wirkten eingefallen und unter ihrer Bräune zeichnete sich eine wächserne Blässe ab. In ihren Händen mit den blutrot lackierten Fingernägeln ruhte kunstvoll arrangiert, eine einzelne weiße Lilie. Die tief klaffende Wunde, die sich quer durch ihre Kehle zog, ließ den Knorpel des Zungenbeins erkennen. Angewidert wandte Ingolf Schöne sich ab. Dieser Anblick war nichts für seine schwachen Nerven. Ohne sich dessen bewusst zu werden, rief er mit sich vor Panik überschlagender Stimme um Hilfe. Durch das ohrenbetäubende Geschrei aus dem Schlaf gerissen, kamen alsbald zwei seiner Kollegen angerannt, um nach dem Grund für den morgendlichen Aufruhr zu forschen. Da der Verbrechensschauplatz nicht weit von ihrer Unterkunft entfernt lag, trafen sie nach wenigen Minuten bei ihrem Kollegen ein.
    Von ihnen alarmiert, wimmelte es schon kurz darauf von Polizei auf dem Gelände. Um Ingolf Schöne, der einen schweren Schock davongetragen hatte, kümmerte sich ein Sanitäter. Eine Sondereinheit der Kripo unter der Leitung von Doktor Beyer sicherte den Leichenfundort und sperrte ihn weiträumig ab. Doktor Probst wurde benachrichtigt. Noch bevor er am Tatort eintraf, ahnte er, was ihn erwartete. Als Rechtsmediziner bereits mit den Gegebenheiten vertraut, erkannte er sogleich mit fachmännischem Blick, dass sich die ihm bietende Szenerie in nichts von den vorangegangenen Morden unterschied. Wieder war das Opfer eine zierliche junge Frau südländischen Aussehens, mit langem schwarzem Haar und durchschnittener Kehle. Sie trug ein weiteres der ihm mittlerweile vertrauten Brautkleider. Sowohl der in ihrem Haar befestigte Schleier als auch die weißen hochhackigen Pumps glichen denen der beiden anderen Opfer. Ernsten Gesichts beugte sich Doktor Probst über den Leichnam der Frau. Er sah auf den ersten Blick, dass die ihr beigebrachte Wunde nicht für ihr Ableben verantwortlich war. Die genaue Ursache würde die Obduktion erbringen. Der Rechtsmediziner ging aber schon jetzt davon aus, dass eine Kaliuminjektion ihren Tod auslöste.
    In einigen Metern Abstand lieferte sich derweil Doktor Beyer, der Leiter der erst kürzlich ins Leben gerufenen Soko, mit dem von ihm hinzugezogenen Fallanalytiker, Adam Wende, einen heftigen verbalen Schlagabtausch.
    Ohne zu ahnen, dass Doktor Beyer wegen der von ihm infrage gestellten Kompetenz seines Kollegen kurz davor stand, die Fassung zu verlieren, näherte sich Kommissar Boström den beiden Streithähnen. Erregt zog und zerrte der Leiter der Soko an seinem Krawattenknoten. Sein hochroter Kopf, auf dessen speckiger Glatze sich ein Heer feinster Schweißperlen gebildet hatte, glich einer überreifen Tomate, die Gefahr lief, jeden Moment zu explodieren.
    Als Peer vor ihm stand, dachte er, dass er gut daran täte, ihn nicht weiter zu reizen. Mit Diplomatie darum bemüht, die ganz offensichtlich brenzlige Situation zu entschärfen, ließ er seinen Vorgesetzten wissen, dass es ihnen gelungen sei, einen Tatverdächtigen ausfindig zu machen. »Der Mann heißt Kajo Feldmann und ist, war«, verbesserte er sich, »der Lebensgefährte der Ermordeten. Einer ersten Befragung zufolge, kam es zwischen ihm und dem Opfer am gestrigen Abend zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Dabei soll Herr Feldmann seiner Freundin vorgeworfen haben, ihn betrogen und hintergangen zu haben. Mehrere seiner Kollegen gaben übereinstimmend zu Protokoll, dass er im Laufe des Streits damit drohte, sie umzubringen, sollte sie ihn verlassen.«
    »Das ist ja höchst interessant«, zeigte sich Doktor Beyer beeindruckt. Sein Zorn schien verflogen. Insgeheim klammerte er sich an die Hoffnung, dass sich diese Spur nicht wieder als Windei erweisen würde. Allmählich geriet er in Zugzwang. Schließlich wurde von ihm erwartet, dass er dem Täter schnellstmöglich das Handwerk legte. Doch anstatt Ergebnisse vorzuweisen, musste

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