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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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geboten, damit er endgültig von der Bildfläche verschwindet?«
    »Eine Million.«
    »Genauer gesagt, er konnte nur gewinnen, da Ihre Pension unter dem Zins aus dieser Summe lag, wenn sie richtig angelegt wurde. Warum lehnte er ab?«
    »Um uns zu ärgern!«
    Harry sagte das nicht unfreundlich. Er war sich offenbar nicht bewußt, daß das Wort in seinem Mund ein wenig absonderlich klang.
    »Er war ganz besessen von dieser Idee. Er wollte uns einfach keine Ruhe lassen.«
    »Und deshalb hat er abgelehnt.«
    »Ja. Und er hat mir zu verstehen gegeben, daß er dafür sorgen wird, daß der Ärger auch nach seinem Tod weitergehen wird.«
    »Welcher Ärger?«
    »Der Prozeß. Er schadet uns sehr.«
    Brauchte Maigret noch weitere Erklärungen? Er mußte nur an die Liberty Bar denken, an Jaja, an Sylvie, wie sie halbnackt herumlief, an William, der Verpflegung mitbrachte. Außerdem an die Villa, die beiden Martini, die junge und die alte, und das Vehikel, mit dem er sie zum Einkaufen gefahren hatte.
    Und nun Harry Brown, der die gegnerische Partei verkörperte, die Ordnung, die aufrechte Haltung, das Recht; Harry Brown mit seinem glattgekämmten Haar, seinem gutsitzenden Anzug, seiner Selbstbeherrschung, seiner distanzierten Höflichkeit, seinem Sekretär und seiner Sekretärin …
    Um uns zu ärgern!
    Das Bild von William Brown wurde lebendiger. Er hatte lange Zeit gelebt wie sein Sohn, wie alle »dort unten«, und er hatte gebrochen mit der Ordnung, der aufrechten Haltung, der guten Erziehung.
    Er war zum Gegner geworden, den man ohne weiteres aus dem Familienverband ausschloß.
    Und er war, verdammt noch mal, damit nicht einverstanden. Er wußte, daß er nicht gewinnen konnte, er wußte, daß er nur noch der Buhmann war.
    Dafür mußte er sie wenigstens ärgern.
    Wäre er nicht zu allem imstande gewesen, um sein Ziel zu erreichen? Um sie immer weiter zu ärgern, seine Frau, seinen Schwager, seine Kinder, die ihn verleugneten und unaufhaltsam weiterarbeiteten, um Geld zu verdienen, immer mehr Geld.
    »Mit seinem Tod«, meinte Harry ruhig, »würde der Prozeß ein Ende nehmen und mit ihm all der Ärger, all die Skandalgeschichten, die unseren übelwollenden Landsleuten so viel Vergnügen machen – nicht wahr?«
    »Allerdings.«
    »Er hat also ein Testament aufgesetzt. Seine Frau und seine Kinder konnte er nicht enterben. Aber über einen Teil seines Vermögens konnte er frei verfügen. Und wissen Sie, wem er den vermacht hat? Den vier Frauen.«
    Maigret hätte beinahe schallend gelacht. Zumindest ein Lächeln konnte er sich nicht verkneifen, wenn er sich Mutter und Tochter Martini sowie Jaja und Sylvie vorstellte, wie sie in Australien aufkreuzten, um ihre Rechte zu verteidigen.
    »Und es ist dieses Testament, das Sie jetzt in Händen haben?«
    Es war ein langer Text, nach allen Regeln angefertigt und notariell beglaubigt.
    »Es war das, was mein Vater meinte, als er sagte, daß auch nach seinem Tod die Unannehmlichkeiten weitergehen würden.«
    »Kennen Sie den genauen Wortlaut?«
    »Noch heute morgen hatte ich keine Ahnung davon. Aber als ich nach der Beerdigung ins Hotel zurückkam, wartete ein Mann auf mich …«
    »Heißt er Joseph?«
    »Ja. Ein Kellner oder so was. Er meinte, daß ich, wenn ich ihm das Original abkaufen wolle, nur in ein Hotel in Cannes zu gehen und zwanzigtausend Francs mitzubringen brauchte. Und diese Art Leute lügen gewöhnlich nicht.«
    Maigret setzte eine strenge Miene auf.
    »Richtig gesagt, Sie hatten vor, ein Testament zu vernichten! Beziehungsweise Sie hatten die Tat bereits ins Werk gesetzt.«
    Brown zeigte sich ebensowenig betroffen wie zuvor.
    »Ich weiß, was ich tue«, entgegnete er ruhig, »und ich weiß auch, was das für Frauen sind.«
    Er stand auf und blickte auf das volle Glas, das vor Maigret stand.
    »Sie trinken nichts?«
    »Nein, danke.«
    »Jedes Gericht wird einsehen, daß …«
    »… daß Ihre Seite gewinnen muß.«
    Was hatte Maigret dazu gebracht, das zu sagen? War sein Kopf so durcheinander wegen des »Fehlers«?
    Harry Brown zuckte nicht mit der Wimper. Er ging zu der Tür, hinter der die Schreibmaschine klapperte, und sagte in überlegenem Tonfall:
    »Das Dokument existiert ja noch. Ich überlasse es Ihnen. Ich bleibe hier, bis …«
    Er hatte die Tür geöffnet, und der Sekretär sagte:
    »London ist am Apparat.«
    Brown nahm ihm den Hörer aus der Hand und antwortete in einwandfreiem Englisch.
    Maigret nutzte die Gelegenheit und verließ mit dem Testament in der Hand

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