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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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den Raum. Nachdem er vergeblich den Aufzugsknopf gedrückt hatte, entschloß er sich, die Treppe hinunterzugehen, wobei er noch einmal innerlich vor sich hinsagte:
    ›Möglichst ohne Aufsehen …‹
    Drunten in der Halle trank Boutigues mit dem Geschäftsführer Portwein aus schönen großen geschliffenen Kristallgläsern. Die Flasche stand direkt neben ihm.

8
    Die vier Erbinnen
    B
    outigues tänzelte neben Maigret her, und sie hatten noch keine zwanzig Meter zurückgelegt, als der Inspektor erklärte:
    »Eben habe ich eine Entdeckung gemacht. Der Direktor hat ein wachsames Auge auf das Hotel du Cap am Cap Ferrat. Ich kenne ihn schon lange. Das Hotel gehört zur selben Gesellschaft wie …«
    Sie verließen das Provençal. Vor ihnen lag das Meer nur noch wie ein Tümpel von Tinte in der Nacht. Nicht das leiseste Zittern stieg von ihm auf. Rechts lagen die Lichter von Cannes, links die von Nizza. Boutigues’ Hand zeigte in die Dunkelheit über das Heer von Leuchtkäfern hinweg.
    »Kennen Sie Cap Ferrat? Zwischen Nizza und Monte Carlo …«
    Maigret kannte es. Mittlerweile hatte er einen ungefähren Überblick über die Côte d’Azur gewonnen: ein endloser Boulevard von Cannes bis Menton, ein Boulevard von sechzig Kilometer Länge, von Villen gesäumt, hie und da ein Casino oder ein Luxushotel.
    Das berühmte blaue Meer, das Gebirge, all die von den Urlaubsprospekten versprochenen Herrlichkeiten: Orangenbäume, Mimosen, Sonne, Palmen, Pinien, Tennis, Golf, Teehäuser, amerikanische Bars …
    »Und was ist nun die Entdeckung?«
    »Ja! Harry Brown hat eine Geliebte an der Côte! Der Direktor hat ihn mehrmals am Cap Ferrat gesehen, wo er sie besucht hat. Eine Frau um die Dreißig, verwitwet oder geschieden, sehr elegant anscheinend. Er hat sie in einer Villa untergebracht.«
    Hörte Maigret zu? Er schaute mißmutig auf das wunderbare nächtliche Panorama. Boutigues fuhr fort:
    »Er kommt sie ungefähr einmal im Monat besuchen. Im Hotel du Cap lachen alle darüber, weil Brown eine wahre Komödie aufführt, um seine Liaison zu verheimlichen. Das geht so weit, daß er, wenn er über Nacht ausbleibt, durch den Dienstaufgang zurückkommt, als wäre er nachts nicht weggewesen.«
    »Sieh mal an«, sagte Maigret, mit so wenig Überzeugung, daß der Inspektor ganz betreten war.
    »Wollen Sie ihn weiter überwachen lassen?«
    »Nein … Ja …«
    »Werden Sie die Dame am Cap Ferrat aufsuchen?«
    Das wußte Maigret nicht. Er konnte nicht an hundert Dinge gleichzeitig denken, und im Augenblick dachte er nicht an Harry Brown, sondern an William. An der Place Macé drückte er seinem Begleiter flüchtig die Hand und sprang in ein Taxi.
    »Fahren Sie die Straße zum Cap d’Antibes. Ich sage Ihnen, wenn Sie halten sollen.«
    Im Fond des Wagens wiederholte er sich noch einmal:
    ›William ist ermordet worden!‹

    Das kleine Gitter, der Kiesweg, die Glocke, das Licht, das darüber anging, Schritte in der Halle – die Tür öffnete sich.
    »Ach, Sie sind es!« sagte Gina Martini erleichtert, als sie den Kommissar erkannte, und trat zurück, um ihn hereinzulassen.
    Im Salon sprach eine Männerstimme.
    »Kommen Sie. Ich werde Ihnen gleich erklären, was …«
    Der Mann stand mit einem Notizbuch in der Hand im Zimmer, und die Alte beugte sich mit dem Oberkörper in einen Schrank.
    »Monsieur Petitfils. Wir haben ihn hergebeten, um …«
    Monsieur Petitfils war mager, hatte einen traurig herabhängenden Schnurrbart und einen müden Blick.
    »Er ist der Leiter der Hauptstelle von der Villenvermietung, und wir haben ihn gerufen, um seinen Rat einzuholen und …«
    Der Moschusduft stieg ihm wieder in die Nase. Die Frauen hatten die Trauerkleidung abgelegt und trugen Hauskleider und Pantoffeln.
    Es herrschte ein vollständiges Durcheinander. War das Licht schwächer als sonst? Alles wirkte grau. Die Alte tauchte aus ihrem Schrank auf, begrüßte Maigret und erklärte:
    »Seitdem ich bei der Beerdigung die zwei Frauen gesehen habe, läßt es mir keine Ruhe mehr. Darum habe ich mich an Monsieur Petitfils gewandt, und er ist derselben Meinung wie ich, nämlich daß man eine Inventur machen muß.«
    »Eine Inventur von was?«
    »Von den Sachen, die uns gehören, und denen, die William gehören. Wir arbeiten schon seit zwei Uhr nachmittags.«
    Danach sah es auch aus. Auf den Tischen stapelte sich Wäsche, einiges lag auf dem Boden herum, Bücher waren aufeinandergeschichtet, und Körbe standen herum, in denen ebenfalls Wäsche lag.
    Monsieur

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