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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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Handtasche.
    Ticktack, ticktack, ticktack …
    Es dauerte eineinhalb Stunden. Eineinhalb Stunden Schweigen, unterbrochen nur durch Jajas Seufzen. Sie trank still vor sich hin, und ihre Augen fingen langsam an zu glänzen.
    Dann und wann liefen ein paar schreiende, spielende Kinder auf der Straße vorbei. Oder man hörte in der Ferne ungeduldig eine Trambahn klingeln. Die Tür zum Lokal ging auf, ein Araber steckte den Kopf herein und rief:
    »Erdnüsse?«
    Er wartete eine Weile, und als er keine Antwort bekam, schloß er die Tür wieder und machte sich davon.
    Als die Tür sich wieder öffnete, war es sechs Uhr, und diesmal ging eine Bewegung durchs Zimmer, die anzeigte, daß das erwartete Ereignis eingetroffen war. Jaja wäre fast aufgesprungen, um hinauszulaufen, aber ein Blick Maigrets hielt sie zurück. Sylvie wandte, um ihre Gleichgültigkeit zum Ausdruck zu bringen, den Kopf ab.
    Die Tür öffnete sich, und Joseph trat ein. Er sah zuerst nur Maigrets Rücken, dann schaute er auf den Tisch, die Gläser, die Flasche, die offene Handtasche und die Geldscheine.
    Der Kommissar drehte sich langsam zu ihm um. Der Neuankömmling reagierte kaum. Er brummte nur:
    »Verdammt.«

    »Machen Sie die Tür zu. Setzen Sie sich.«
    Der Kellner aus dem Casino schloß die Tür, setzte sich aber nicht hin. Er runzelte die Stirn und machte ein verschlossenes Gesicht, aber er verlor nicht die Fassung. Im Gegenteil, er gewann sie schnell wieder. Er ging zu Jaja und küßte sie auf die Stirn.
    »Guten Tag.«
    Dann küßte er auch Sylvie auf die Stirn. Sie hob nicht einmal den Kopf.
    »Was ist los?«
    Maigret erkannte, daß er am kürzeren Hebel saß. Aber wie immer in solchen Fällen wurde er desto hartnäckiger, je mehr er fühlte, daß er an Boden verlor.
    »Wo kommen Sie her?«
    »Raten Sie mal.«
    Er holte die Brieftasche heraus, suchte nach einem Papier und reichte es Maigret. Es war ein Personalausweis, wie er Ausländern ausgestellt wird, die in Frankreich leben.
    »Er war schon abgelaufen. Ich mußte ihn auf der Präfektur erneuern lassen.«
    Der Ausweis trug tatsächlich das Datum des Tages und den Vermerk: Joseph Ambrosini, geboren in Mailand, Beruf: Hotelangestellter.
    »Haben Sie nicht zufällig Harry Brown getroffen?«
    »Ich?«
    »Und haben Sie ihn nicht schon letzten Dienstag oder Mittwoch einmal getroffen?«
    Joseph sah ihn an, als wollte er sagen: ›Was erzählen Sie denn da!‹
    »Na, los, Ambrosini! Sie werden doch wohl zugeben, daß Sie Sylvies Liebhaber sind.«
    »Das kommt darauf an, was Sie darunter verstehen. Mein Gott, es kam eben so …«
    »Nein, nein! Sie sind das, was man beschönigend ihren Beschützer nennt.«
    Die arme Jaja! Noch nie in ihrem Leben war sie so unglücklich gewesen. Der Alkohol, den sie zu sich genommen hatte, verzerrte sicher ihre Sicht der Dinge. Von Zeit zu Zeit öffnete sie den Mund, als wolle sie alle beschwichtigen und sagen: ›Also, meine lieben Kinder, nun einigt euch mal! Ist doch kein Grund, sich zu streiten. Wir trinken jetzt einen zusammen, und dann …‹
    Joseph war anzumerken, daß das nicht sein erstes Zusammentreffen mit der Polizei war. Er war auf der Hut, und seine Gefaßtheit war echt und keine Prahlerei.
    »Sie sind völlig falsch unterrichtet.«
    »Sie wissen also auch nicht, was es mit diesen zwanzigtausend Francs auf sich hat?«
    »Ich nehme an, Sylvie hat sie verdient. Hübsch genug ist sie ja, daß …«
    »Jetzt reicht’s aber!«
    Er war wieder aufgestanden und lief in dem kleinen Zimmer auf und ab. Sylvie blickte auf ihre Füße hinunter, während Joseph die Augen nicht niederschlug.
    »Du trinkst doch ein Gläschen, oder«, meinte Jaja, für die es eine Gelegenheit war, sich ebenfalls nachzuschenken.
    Maigret überlegte, was er nun tun sollte. Er blieb eine geraume Weile vor dem Wecker stehen, auf dem es jetzt Viertel nach sechs war, und als er sich umdrehte, erklärte er:
    »Na gut! Sie kommen alle beide mit. Ich verhafte Sie!«
    Ambrosini zuckte nicht einmal zusammen, er murmelte nur etwas verächtlich:
    »Wenn Sie meinen.«
    Der Kommissar steckte die zwanzig Tausendfrancscheine in die Tasche und reichte Sylvie ihren Hut und ihre Handtasche.
    »Muß ich Ihnen Handschellen anlegen, oder geben Sie mir Ihr Wort, daß Sie …«
    »Na, wir laufen Ihnen schon nicht weg!«
    Jaja schluchzte in Sylvies Armen, und Sylvie versuchte, sich aus der Umklammerung zu lösen. Sie hatten alle drei Mühe, die dicke Frau daran zu hindern, mit ihnen auf die Straße

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