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Maigret 17

Maigret 17

Titel: Maigret 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simenon
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hinauszulaufen.
    Die Straßenlaternen gingen an, es dämmerte bereits wieder. Sie gingen durch die Straße, in der das Hotel Beauséjour lag, aber Joseph warf nicht einen Blick in diese Richtung.
    Bei der Polizei wurde gerade die Tagschicht abgelöst. Der Sekretär beeilte sich, dem Kommissar Schriftstücke zur Unterschrift vorzulegen.
    »Sperren Sie die beiden ein. Getrennt. Ich komme wahrscheinlich morgen vorbei und rede mit ihnen.«
    Sylvie hatte sich auf die Bank an der Wand gesetzt, Joseph drehte sich eine Zigarette, die ihm ein uniformierter Beamter aus der Hand riß.
    Maigret ging wortlos zur Tür, drehte sich noch einmal nach Sylvie um, aber sie sah weg, und er zuckte die Achseln und raunzte:
    »Dann eben nicht.«

    Er saß im Bus auf seinen Sitz gedrückt und merkte nicht, daß der Bus überfüllt war und eine alte Dame neben ihm stand. Er sah zum Fenster hinaus, an dem die Scheinwerferlichter der Autos vorbeizogen, und paffte wütend vor sich hin, bis sich die alte Dame zu ihm hinunterbeugte und leise sagte:
    »Entschuldigen Sie, Monsieur …«
    Es war, als erwachte er aus einem Traum. Er fuhr in die Höhe, wußte nicht, wohin er die brennende Asche kippen sollte, und verursachte eine solche Unruhe, daß ein junges Paar hinter ihm vor Lachen losprustete.
    Um halb acht stieß er die Drehtür zum Provençal auf und fand Inspektor Boutigues in einem Sessel in der Hotelhalle, wo er mit dem Geschäftsführer sprach.
    »Nun?«
    »Er ist oben«, erwiderte Boutigues, der ein erstauntes Gesicht machte.
    »Haben Sie ihm gesagt, daß …«
    »Ja. Es hat ihn gar nicht gewundert. Ich habe eigentlich damit gerechnet, daß er protestiert.«
    Der Geschäftsführer hatte darauf gewartet, eine Frage stellen zu können, aber als er den Mund aufmachen wollte, eilte Maigret bereits zum Aufzug.
    »Soll ich auf Sie warten?« rief Boutigues ihm hinterher.
    »Wenn Sie wollen …«
    Der Zustand, in dem er sich seit zwei oder drei Stunden befand, war ihm sehr vertraut. Wie immer in solchen Fällen, geriet er zunehmend in Wut. Dagegen konnte er nichts machen. Dieses unbestimmte Gefühl, vielleicht einen Fehler gemacht zu haben … Er hatte es, seitdem er vor der Hoteltür Sylvie getroffen hatte.
    Trotz allem trieb es ihn dazu weiterzumachen.
    Mehr noch. Je stärker er sich einzureden versuchte, daß er recht hatte, desto besessener kniete er sich hinein.
    Der Aufzug glitt mit sanftem Geräusch immer höher, und Maigret wiederholte sich die an ihn ergangene Anweisung: Möglichst ohne Aufsehen!
    Aus diesem Grund war er in Antibes. Um einen Skandal zu vermeiden.
    Unter anderen Umständen hätte er das Hotelzimmer von Harry Brown ohne seine Pfeife im Mund betreten. Jetzt dagegen zündete er sie sogar absichtlich an. Er klopfte und trat auch gleich ein. Und er befand sich in genau derselben Sphäre wie gestern.
    Brown ging in seinem tadellos gebügelten Anzug auf und ab, gab seinem Sekretär Anweisungen, nahm den Telefonhörer entgegen und diktierte nebenbei ein Telegramm nach Sydney.
    »Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    Keine Spur von Verunsicherung. Dieser Mann war allen Gegebenheiten des Lebens absolut gewachsen. Hatte er auch nur mit der Wimper gezuckt, als er am Morgen unter so ungewöhnlichen Umständen den Trauerzug zur Beerdigung seines Vaters anführte? Hatte ihn die Anwesenheit der vier Frauen auch nur im geringsten in Aufregung versetzt?
    Ebenso am Nachmittag, als er aus einem anrüchigen Hotel kam. Er hatte völlig natürlich gewirkt! Nicht eine Sekunde lang war er verlegen gewesen!
    Er diktierte weiter, stellte nebenbei eine Schachtel Zigarren auf das Tischchen, vor dem Maigret saß, und drückte auf den Klingelknopf.
    »Nehmen Sie das Telefon mit in mein Schlafzimmer, James.«
    Und zum Oberkellner, der in der Tür erschien:
    »Einen Whisky!«
    Was war Pose an seinen Umgangsformen und was natürlich?
    Die Erziehung, dachte Maigret. Er mußte in Oxford oder Cambridge zur Schule gegangen sein. Alter Schülergroll stieg in ihm hoch. Mit Bewunderung gemischter Groll.
    »Nehmen Sie die Maschine mit, Mademoiselle.«
    Nein. Die Sekretärin hatte die Hände voll mit Notizblock und Stiften. Er nahm selbst die schwere Schreibmaschine, trug sie ins Nebenzimmer und schloß die Tür ab.
    Dann wartete er, bis der Oberkellner den Whisky gebracht hatte. Maigret bekam einen Schnaps serviert.
    Erst als sie ganz allein waren, zog er seine Brieftasche aus dem Jackett, nahm ein gestempeltes Blatt Papier heraus, warf einen Blick darauf und

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