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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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trinken? Noch einen? Und ihr, Kinder?«
    Die Stimmung im Raum, diese Männer, so wie sie sich gaben und wie sie sprachen, das alles hatte etwas Unklares, Unaufrichtiges, insbesondere der Wirt, der sich so eifrig bemühte, nur ja kein Schweigen aufkommen zu lassen.
    »Wissen Sie, dass Gassin noch immer so betrunken ist? Eine richtige Sauftour! Nimmst du ein Großes, Henry? Und du?«
    Allein in dem Café regte sich noch Leben, rundherum schlief alles. Maigret versuchte, gleichzeitig Draußen und Drinnen im Auge zu behalten, und ging Richtung Tür.
    »Ich wollte Ihnen übrigens sagen, Herr Kommissar, dass …«
    »Was?«, knurrte der und drehte sich um.
    »Warten Sie … Es ist mir entfallen … Zu dumm … Was möchten Sie trinken?«
    Das alles wirkte so unecht, dass seine Kartenbrüder ihn peinlich berührt ansahen. Fernand setzte sich nun selbst, und seine Wangen röteten sich ein wenig.
    »Was geht hier vor?«, fragte Maigret.
    »Was meinen Sie?«
    Er hielt die Tür offen und sah die auf dem Kanal vertäuten Schiffe an.
    »Wieso versuchst du mich zurückzuhalten?«
    »Ich? Ich schwöre Ihnen …«
    Dann endlich erkannte oder vielmehr erahnte der Kommissar zwischen all den dunklen Schiffsrümpfen, Masten und Aufbauten einen ganz kleinen Lichtpunkt. Ohne auch nur die Tür hinter sich zu schließen, schritt er über den Quai zum Steg der ›Toison d’Or‹.
    Keine zwei Meter von ihm entfernt stand ein Mann, und doch hätte er ihn beinahe nicht gesehen.
    »Was tun Sie hier?«
    »Ich warte auf meinen Fahrgast.«
    Tatsächlich stand etwas weiter vorn – Maigret bemerkte es, als er sich umdrehte – ein wartendes, unbeleuchtetes Taxi. Die Planken des schmalen Stegs knarrten unter dem Gewicht des Kommissars. Durch die Türscheiben sah er einen schwachen Lichtschimmer, und er trat ohne zu zögern ein und ging die Treppe hinunter.
    »Darf man eintreten?«
    Man spürte, hier waren Menschen anwesend. Ein paar Stufen, dann überblickte Maigret die von einer Petroleumlampe erhellte Kajüte. Das Bett war bereits für die Nacht hergerichtet. Auf dem Tisch mit dem Wachstuch standen eine Flasche und zwei Gläser.
    Zwei Männer saßen sich schweigend, lauernd gegenüber: der alte Gassin, dessen kleine Augen bedrohlich funkelten, und, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, Émile Ducrau, der seine Mütze in den Nacken zurückgeschoben hatte.
    »Kommen Sie herein, Kommissar. Ich habe schon geahnt, dass Sie hier auftauchen würden.«
    Er spielte sich nicht auf. Er war weder verlegen noch überrascht. Aus der Petroleumlampe schossen lodernd kleine Stichflammen empor, und die Stille war so vollkommen, dass man hätte schwören mögen, die beiden Männer hätten, bevor Maigret kam, stundenlang schweigend und regungslos dagesessen. Der Riegel zur Tür der andern Kajüte war vorgeschoben. Ob Aline schlief? Oder hielt sie sich still und lauschte im Dunkeln?
    »Ist mein Fahrer noch da?«
    Ducrau versuchte wie ein Mann, der eingeschlafen war, seine Starrheit abzuschütteln.
    »Mögen Sie holländischen Schnaps?«
    Er holte selbst ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit einer klaren Flüssigkeit und wollte eben nach seinem eigenen Glas greifen, als Gassin den Tisch mit einer einzigen brutalen Geste leerfegte. Die Flasche und die Gläser fielen zu Boden. Wie durch ein Wunder war die Flasche nicht zerbrochen, nur der Korken war herausgesprungen, und man hörte ein schier endloses Gluckern.
    Ducrau schien nicht einmal erschrocken. Vielleicht hatte er einen solchen Gewaltakt erwartet? Gassin hingegen war einem Anfall von Raserei nahe; er atmete mühsam, die Fäuste geballt, den Leib vorgebeugt.
    In der Kajüte nebenan regte sich etwas. Der Taxifahrer ging immer noch auf dem Quai auf und ab. Gassin hing gleichsam noch einen Augenblick in der Luft, dann ließ er sich endlich auf den Stuhl fallen, stützte den Kopf zwischen die Hände und schluchzte:
    »Schöne Bescherung, schöne Bescherung!«
    Ducrau deutete auf die Ausstiegsluke, und sie machten sich auf. Im Vorbeigehen tippte er gerade noch die Schulter des Alten an. Damit hatte es sich. Auf Deck war ihnen, als badeten sie in frischer, reiner Luft. Der Fahrer eilte zum Wagen. Ducrau wartete kurz, die Hand auf Maigrets Arm.
    »Ich habe getan, was ich konnte. Fahren Sie nach Paris zurück?«
    Sie stiegen die steinernen Stufen der Treppe hinauf; das Auto stand mit laufendem Motor und offener Tür da. Hinter den Fensterscheiben des Lokals sah der Kommissar die Umrisse Fernands, der mit Sicherheit den

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