Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Wagen begaffte.
»Haben Sie selbst Anweisungen gegeben, damit man Sie nicht belästigt?«
»Wem?«
Maigret machte mit der Hand ein Zeichen, und sein Begleiter hatte verstanden.
»Hat er das getan?«
Ducrau lächelte geschmeichelt, aber auch missvergnügt.
»Diese Schafsköpfe!«, brummte er. »Steigen Sie ein! Geradeaus, Fahrer. Richtung Stadtzentrum.«
Er nahm seine Mütze ab, um sich mit der Hand durch die Haare zu fahren.
»Haben Sie mich gesucht?«
Maigret hatte nichts zu erwidern, und eigentlich erwartete der andere auch keine Antwort.
»Haben Sie über meine Vorschläge von heute Morgen nachgedacht?«
Aber Ducrau machte sich keine Hoffnungen. Möglicherweise hätte ihn eine Zusage letztlich enttäuscht.
»Meine Frau ist heute Abend abgereist, um unser neues Haus einzurichten.«
»In welcher Gegend?«
»Zwischen Meung und Tours.«
Die Quais lagen verödet da. Bis zur Rue Saint-Antoine kamen ihnen bloß zwei Wagen entgegen. Der Fahrer kurbelte die Trennscheibe herunter.
»Wohin geht’s?«
Und Ducrau, gleichsam herausfordernd:
»Fahren Sie mich zum ›Maxim’s‹!«
Und tatsächlich stieg er dort aus, schwerfällig, mürrisch dreinblickend, in seinem blauen Anzug mit dem Trauerflor. Der Portier, der ihn offenbar kannte, zeigte sich trotzdem sehr dienstfertig.
»Kommen Sie auch auf einen Sprung herein, Kommissar?«
»Danke, nein.«
Ducrau verschwand schon in der Drehtür, so dass sie sich nicht mehr die Hand geben konnten und nicht einmal Zeit hatten, sich auf Wiedersehen zu sagen.
Es war halb zwei. Der Portier fragte Maigret:
»Taxi?«
Ja … Nein … Am Boulevard Edgar-Quinet war niemand, das große Bett war weg, auf dem Land, und Maigret machte es deshalb wie Ducrau: Er verbrachte die Nacht im Hotel, am Ende der Rue Saint-Honoré.
Seine Frau, die nun dort unten, zwischen Meung und Tours, angekommen war, schlief heute zum ersten Mal in ihrem neuen Haus.
7
Noch immer hörte man vom hinteren Teil des Friedhofs die langsamen und monotonen Schritte der Trauergäste, obwohl die Spitze des Trauerzugs bereits am Ausgang angelangt war. Und dieses Knirschen des Kieses, der aufwirbelnde Staub, in dem sich das Licht in den Regenbogenfarben brach, das Gewichtige, Behäbige des langsam sich vorwärtsbewegenden, zwischendurch auf der Stelle tretenden Geleits, all das verstärkte noch den Eindruck von Hitze.
Émile Ducrau stand am Friedhofstor, schwarz gekleidet, so dass die Unterwäsche sehr weiß leuchtete, und gab allen die Hand, die mit einer Verbeugung an ihm vorbeizogen. Dabei tupfte er sich immer wieder zwischendurch mit seinem zusammengerollten Taschentuch die Stirn. Seine Gedanken ließen sich schwerlich erraten. Er hatte keine verweinten Augen und sah die Leute immer noch so an, als ob er mit dieser Beerdigung nichts zu tun hätte. Sein Schwiegersohn dagegen, der schmal und korrekt aussah, hatte rote Augen. Die Gesichter der Frauen konnte man hinter dem Schleier nicht erkennen.
Der Trauerzug legte in Charenton alles lahm. Hinter den beiden mit Blumen und Kränzen geschmückten Wagen gingen Hunderte von Schiffern, alle frisch gewaschen, alle ordentlich gekämmt, in ihren blauen Anzügen, die Mütze in der Hand.
Einer nach dem andern verabschiedeten sie sich nun am Ausgang des Friedhofs und stotterten ihre Beileidsbekundungen herunter, anschließend versammelten sie sich linkisch zu Gruppen und gingen ein Café suchen. Schweißperlen standen ihnen auf der Stirn. Man spürte geradezu, wie sie unter ihren weiten zweireihigen Jacketts schwitzten.
Maigret stand auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig vor der Auslage des Blumenhändlers und fragte sich, ob er noch bleiben sollte. Ein Taxi hielt ganz in seiner Nähe. Einer seiner Inspektoren stieg aus und hielt nach ihm Ausschau.
»Hier bin ich, Lucas.«
»Ist nichts passiert? Eben hab ich erfahren, dass der alte Gassin heute Morgen um halb neun bei einem Waffenhändler bei der Bastille einen Revolver gekauft hat.«
Gassin war da, noch fünfzig Schritte von der in Reih und Glied dastehenden Familie entfernt. Er ließ sich in dem Zug mittreiben, ohne mit seinen Nebenleuten zu sprechen, ohne ungeduldig zu werden, mit trübem Blick.
Er war Maigret schon vorher aufgefallen, denn er hatte ihn noch nie sonntäglich gekleidet gesehen, in einem frischen Hemd und einem neuen Anzug, den Bart frisch gestutzt. Hatte er seine Sauftour endlich abgebrochen? Jedenfalls machte er einen würdevolleren, ruhigeren Eindruck. Er brummte nicht mehr in
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