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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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›Ange‹ wohnen«, bemerkte die Verkäuferin. »In dem Gasthof ist nie etwas zu essen vorrätig. Man würde ihn am besten überhaupt ganz zumachen.«
    Er ging zur Bahnstation hinauf. Es war nur ein Halteplatz mit einem Schrankenwärterhäuschen.
    »Nein, Monsieur, um diese Zeit ist hier niemand vorbeigekommen, erst um halb elf wieder. Ich saß mit meiner Frau auf einer Bank vor dem Haus. Herr Georges-Henry? Der sicher nicht. Den kennen wir gut, außerdem hätte er mit uns gesprochen, denn er kennt uns auch und ist keineswegs stolz.«
    Maigret blieb jedoch hartnäckig. Er warf einen Blick über die Hecken, befragte die braven Leute, fast alle Rentner, die in ihren Gärten arbeiteten.
    »Herr Georges-Henry? Nein, den haben wir nicht gesehen. Sollte er verschwunden sein wie seine Kusine?«
    Ein großes Auto rauschte vorbei. Es war der Wagen von Ernest Malik, in dem aber nicht er selbst, sondern sein Bruder saß und zur Straße nach Paris brauste.
    Als Maigret zum ›Ange‹ zurückkehrte, war es sieben Uhr abends, und Raymonde lachte laut auf, als sie sah, wie er seine mit Nahrungsmitteln vollgestopften Taschen leerte.
    »Damit«, sagte sie, »können wir schon ein kleines Mahl bestreiten.«
    »Liegt die Wirtin immer noch im Bett? Hat sie niemand besucht?«
    Raymonde zögerte einen Moment.
    »Monsieur Malik ist vorhin hiergewesen. Als ich ihm gesagt habe, daß Sie zur Schleuse gegangen sind, ist er zu ihr hinaufgestiegen.
    Sie haben eine Viertelstunde lang getuschelt, aber ich habe nicht verstanden, was sie geredet haben.«
    »Kommt es öfter vor, daß er Jeanne besucht?«
    »Manchmal, so im Vorbeigehen. Von Georges-Henry haben Sie nichts gehört?«
    Während er auf das Abendessen wartete, rauchte er im Garten eine Pfeife. Bernadette Amorelle schien aufrichtig gewesen zu sein, als sie ihm erklärt hatte, sie habe ihren Enkel nicht gesehen. Das bewies natürlich noch nichts. Maigret war nahe daran zu glauben, daß alle, wie sie da waren, logen.
    Dennoch hatte er den Eindruck, daß es stimmen mußte.
    Hier in Orsenne, in der Umgebung der Maliks, war etwas zu verbergen, mußte etwas um jeden Preis verborgen werden. Hatte das mit dem Tod von Monita zu tun? Das war möglich, mußte aber nicht sein.
    Fest stand, daß es eine erste Flucht gegeben hatte. Die alte Madame Amorelle hatte die Abwesenheit ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns genutzt, um sich in der vorsintflutlichen Limousine nach Meung fahren zu lassen und Maigret um Hilfe zu ersuchen.
    Dann hatte es am selben Tag, als der ehemalige Kommissar schon im Haus von Ernest Malik war, eine zweite Flucht gegeben. Diesmal handelte es sich um Georges-Henry.
    Warum hatte sein Vater erklärt, der junge Mann sei zu seiner Großmutter gerannt? Warum hatte er ihn, wenn es so war, nicht mit zurückgebracht? Und warum hatte er ihn am nächsten Tag nicht wiedergesehen?
    All das war noch verworren, sicher. Ernest Malik hatte recht, als er Maigret mit einem sarkastischen und zugleich verächtlichen Lächeln ansah. Das war kein Fall für ihn. Er fühlte sich dabei nicht wohl. Es handelte sich um eine Welt, die er nicht kannte, die er nur mit Mühe erfassen konnte.
    Bis hin zu den Kulissen, die ihm in ihrer Künstlichkeit mißfielen. Diese großen Villen mit den verlassenen Parks, den geschlossenen Jalousien, diesen Gärtnern, die in den Alleen auf und ab gingen, diese Anlegebrücke, diese winzigen und zu schön lackierten Boote, diese glitzernden Autos, die in den Garagen warteten … Und diese Leute, die zusammenhielten, diese Brüder und diese Schwägerinnen, die sich vielleicht haßten, sich jedoch gegenseitig vor Gefahren warnten und einen Block gegen ihn bildeten.
    Obendrein hatten sie einen Trauerfall zu beklagen, durften die Würde der Trauer und des Schmerzes für sich in Anspruch nehmen. Mit welcher Befugnis, mit welchem Recht strich er hier herum und steckte seine Nase in ihre Angelegenheiten?
    Beinahe hätte er vorhin aufgegeben, genau in dem Augenblick, als er in den ›Ange‹ zum Mittagessen zurückgekehrt war. Es war die Küchenatmosphäre mit ihrer Nachlässigkeit und ihrer Unordnung, die leicht zu zähmende Raymonde, es waren die Worte, die sie ausgesprochen hatte, einfach so, ahnungslos, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die ihn davon abgehalten hatten. Die ihm Halt gaben.
    Sie hatte von Monita gesprochen, die sich wie ein Junge aufgeführt hatte und mit ihrem Cousin der Aufsicht entschlüpft war. Von Georges-Henry mit seinen nicht ganz sauberen kurzen Hosen

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