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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sei. Dazu müssen Sie wissen, daß dort schon ein altes verfallenes Schlößchen gestanden hat, bevor Monsieur Amorelle vor vierzig Jahren oder mehr seine Villa bauen ließ. Man behauptete, daß die Schloßbesitzer zur Zeit der Revolution ihre Schätze im Garten vergraben hätten. Irgendwann hat Monsieur Amorelle sich mit dem Gedanken beschäftigt und Wünschelrutengänger kommen lassen. Sie haben allesamt behauptet, daß man im Keller der oberen Hundehütte graben müßte.«
    »Das ist alles unwichtig«, murmelte Maigret. »Von Bedeutung ist nur, daß es da einen Keller gibt. Und in diesem Keller, meine liebe Raymonde, muß der arme Georges-Henry eingeschlossen sein.«
    Er sah sie plötzlich mit anderen Augen an.
    »Wann geht ein Zug nach Paris?«
    »In zwanzig Minuten. Dann erst wieder um zwölf Uhr neununddreißig. Es fahren noch andere, aber die halten nicht in Orsenne.«
    Er war schon auf der Treppe. Ohne sich zum Rasieren Zeit zu nehmen, zog er sich an, und wenig später sah man ihn mit großen Schritten zum Bahnhof eilen.
    Da ihre Chefin auf den Fußboden ihres Zimmers stampfte, ging Raymonde zu ihr hinauf.
    »Ist er abgereist?« fragte die alte Jeanne, die immer noch in feuchte Decken gehüllt im Bett lag.
    »Er ist eben fortgerannt.«
    »Hat er nichts gesagt?«
    »Nein, Madame.«
    »Hat er bezahlt? Hilf mir beim Aufstehen.«
    »Er hat nicht bezahlt, Madame. Aber er hat seinen Koffer und seine ganzen Sachen hiergelassen.«
    »Ach!« stieß Jeanne enttäuscht, vielleicht beunruhigt, hervor.

5
Maigrets Komplize
    Paris war wunderbar weiträumig und leer. Die Cafés um die Gare de Lyon strömten den herrlichen Geruch nach Bier und kaffeegetränkten Hörnchen aus. Maigret empfand unter anderem in einem Friseursalon am Boulevard de la Bastille für eine Viertelstunde eine unvergeßliche Beschwingtheit, einfach so, weil dies Paris im August war, weil es Vormittag war und vielleicht auch, weil er eben ein paar Kollegen die Hand gedrückt hatte.
    »Man sieht, daß Sie aus dem Urlaub kommen. Sie haben ja einen tüchtigen Sonnenbrand abgekriegt.«
    Das stimmte. Sicherlich am Vortag, als er um ganz Orsenne herumgelaufen war, um sicherzustellen, daß Georges-Henry den Ort nicht verlassen haben konnte.
    Es war eigenartig, wie diese Geschichte von weitem an Beständigkeit verlor. Dennoch stieg Maigret frisch rasiert, mit freiem Nacken, eine Spur Puder hinter dem Ohr, auf die Plattform eines Autobusses, und wenige Minuten später schritt er durch die Einfahrt am Quai des Orfèvres.
    Auch hier spürte man die Ferienzeit, und in den verlassenen Fluren, wo alle Fenster offenstanden, lag ein Geruch in der Luft, der ihm wohlbekannt war. Viele Büros waren leer. Und in seinem, seinem ehemaligen Arbeitszimmer, traf er Lucas an, der viel zu klein für den großen Raum erschien und der sich schnell erhob, als schäme er sich, einen Fehler gemacht, sich auf den Stuhl seines früheren Chefs gesetzt zu haben.
    »Sie sind in Paris, Chef? … Nehmen Sie Platz.«
    Er bemerkte sofort den Sonnenbrand. Jedermann würde an diesem Tag den Sonnenbrand bemerken, und neun von zehn Personen unterließen es nicht, mit Zufriedenheit festzustellen:
    »Man sieht, daß Sie vom Land kommen!«
    Als würde er nicht seit zwei Jahren auf dem Land leben!
    »Sag mal, Lucas, erinnerst du dich an Mimile?«
    »Den Mimile vom Zirkus?«
    »Genau. Ich möchte ihn noch heute zur Verfügung haben.«
    »Man könnte meinen, Sie seien mit einem Fall beschäftigt, Chef.«
    »Man wird vor allem meinen, ich sei im Begriff, mich in die Nesseln zu setzen. Nun, das erzähle ich dir ein anderes Mal. Würdest du das mit Mimile übernehmen?«
    Lucas öffnete die Tür zum Arbeitszimmer der Inspektoren und sagte leise etwas. Sicher verkündete er ihnen, daß der ehemalige Chef hier sei und Mimile brauchte. In der folgenden halben Stunde richteten es fast alle seine ehemaligen Mitarbeiter ein, ihm unter irgendeinem Vorwand die Hand schütteln zu können.
    »Ein phantastischer Sonnenbrand, Chef. Man sieht, daß …«
    »Noch etwas, Lucas. Ich könnte das selbst erledigen, aber das langweilt mich. Ich brauche Auskünfte über die Firma Amorelle und Campois vom Quai Bourbon. Über die Kieswerke an der Seine, die Schleppdampfer und alles übrige.«
    »Ich werde Janvier darauf ansetzen, Chef. Ist es dringend?«
    »Ich möchte bis Mittag alles haben.«
    Er streifte im Haus herum, machte einen Abstecher in die Finanzabteilung. Man kannte die Firma Amorelle und Campois, hatte aber keine

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