Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
durchgestanden, und dann hat es sich gegeben.
Heute ist es ein Riesenunternehmen. Man kann sich die Bedeutung eines solchen Ladens gar nicht vorstellen, ich habe nur gestaunt. Zu den Sand- und Kiesgruben sind Steinbrüche hinzugekommen. Später haben sich Amorelle und Campois für die Werften in Rouen interessiert, wo sie ihre Schlepper bauen ließen. Jetzt haben sie die Aktienmehrheit bei über einem Dutzend Firmen, Schiffahrtsgesellschaften, Bauunternehmen, Werften, ja sogar bei Straßenbaufirmen und bei einer Betonfabrik.«
»Und die Maliks?«
»Ich komme gleich darauf. Mein Gewährsmann hat es mir erzählt. Wie es scheint, hat Malik der Erste …«
»Wen nennst du den Ersten?«
»Den, der als erster in die Firma eingestiegen ist. Warten Sie, ich sehe mal in meinen Notizen nach. Ernest Malik aus Moulins.«
»Ach so!«
»Er war durchaus nicht vom Fach, sondern Sekretär eines bedeutenden Stadtrats. So hat er mit den Amorelles und Campois Bekanntschaft gemacht. Wegen irgendwelcher Ausschreibungen, Bestechungen und so … Und dann hat er die Tochter geheiratet. Das war kurz nach dem Selbstmord des jungen Campois, der am Geschäft beteiligt war und sich das Leben genommen hat.«
Maigret hatte sich gleichsam in sich selbst vertieft, und seine Augen waren ganz klein geworden. Lucas und Torrence blickten sich wieder an und amüsierten sich, ihren Chef so zu sehen, wie sie ihn aus seinen besten Tagen kannten, mit diesen aufgeworfenen Lippen um das Pfeifenmundstück, diesem Streichen des breiten Daumens über den Pfeifenkopf und den vorgewölbten Schultern.
»Das ist ungefähr alles, Chef … Als er erst einmal in der Firma war, hat Ernest Malik seinen Bruder kommen lassen, man weiß nicht, woher. Er war noch weniger vom Fach als Ernest. Einige behaupten, daß er nur ein kleiner Versicherungsangestellter in der Gegend von Lyon gewesen sei. Dennoch hat er die zweite der beiden Töchter geheiratet, und seither sitzen die beiden Maliks in sämtlichen Verwaltungsräten. Denn zu den Unternehmen gehört ein ganzer Rattenschwanz von verschiedenen Gesellschaften, die sich alle gegenseitig stützen. Der alte Campois hat anscheinend keinerlei Autorität. Außerdem soll er die Dummheit begangen haben, ein dickes Aktienpaket zu verkaufen, als er meinte, sie würden hoch gehandelt werden.
Gegen diese Maliks steht nur die alte Amorelle, die sie allem Anschein nach nicht riechen kann. Und sie ist noch im Besitz der Mehrheit aller Aktien der verschiedenen Gesellschaften, meint man zumindest. In den Büros wird behauptet, daß sie fähig sei, ihre Schwiegersöhne, nur um sie zur Weißglut zu bringen, soweit zu enterben, wie es das Gesetz erlaubt.
Das ist alles, was ich herauskriegen konnte.«
Noch ein paar Gläser Bier.
»Ißt du mit mir zu Mittag, Lucas?«
Sie speisten zusammen wie in guten alten Zeiten. Dann brachte der Autobus den Kommissar in den Luna-Park, wo er zunächst enttäuscht war, Mimile nicht bei den Tieren anzutreffen.
»Er ist sicher in einem Bistro ganz in der Nähe. Sie finden ihn vielleicht im ›Cadran‹ oder bei ›Léon‹, falls er nicht gerade an der Ecke Zigaretten holt.«
Mimile war im Tabakladen, und Maigret spendierte ihm erst einmal einen Marc. Er war ein Mann ohne Alter, mit farblosem Haar, einer jener Männer, die das Leben abgenutzt hat wie ein Geldstück, so daß sie gewissermaßen keine Konturen mehr haben. Man konnte nie mit Sicherheit sagen, ob er betrunken oder nüchtern war, denn er hatte von morgens bis abends den gleichen verschwommenen Blick, den gleichen nachlässigen Gang.
»Was kann ich für Sie tun, Chef?«
Über ihn gab es eine recht umfangreiche Akte in der Präfektur. Aber er war schon vor Jahren vernünftig geworden, und hin und wieder erwies er seinen ehemaligen Feinden vom Quai des Orfèvres kleine Gefälligkeiten.
»Kannst du dich für vierundzwanzig Stunden von Paris entfernen?«
»Vorausgesetzt, daß ich den Polen finde.«
»Welchen Polen?«
»Einen Typen, den ich kenne, der aber einen so komplizierten Namen hat, daß ich ihn nicht behalten kann. Er ist lange bei Amar gewesen, und er könnte meine Tiere versorgen. Warten Sie, ich rufe gleich an. Zuvor noch ein Gläschen, Chef?«
Zwei Gläschen, drei Gläschen, kurze Aufenthalte in der Telefonzelle, und schließlich erklärte Mimile:
»So, ich bin bereit.«
Während Maigret ihm erklärte, was er von ihm erwartete, zeigte Mimile die Miene eines Clowns, dem man einen Schlag mit dem Stock auf den Kopf versetzt hat,
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