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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Sie ihn zusammen mit der kleinen Demoiselle gesehen hätten … Oft sind sie den Fluß hinuntergepaddelt. Ich habe ihnen angeboten, sie zu schleusen, obwohl normalerweise kleine Boote nicht geschleust werden. Aber sie wollten nicht. Sie zogen es vor, ihre Boote jenseits der Schleusenkammer um das Wehr zu tragen. Und mit einbrechender Nacht sah ich sie dann heimgehen.«
    Er, Maigret, hatte bei einbrechender Nacht oder vielmehr nach Einbruch der Nacht eine unangenehme Aufgabe zu vollbringen. Danach würde man schon sehen. Man würde sehen, ob er sich getäuscht hatte, ob er nur ein alter Dummkopf war, der seine Pensionierung verdient hatte, oder ob er noch fähig war, etwas zu leisten.
    Er bezahlte. Er ging langsam an der Uferböschung entlang und rauchte seine Pfeife. Das Warten wurde ihm lang; ihm schien, als könne sich die Sonne an diesem Abend nicht entschließen, unterzugehen. Das glitzernde Wasser trieb träge und lautlos dahin, nur hin und wieder hörte man ein kaum wahrnehmbares Gurgeln, und die Möwen strichen gefährlich tief darüber hinweg und versuchten, springende Fische zu schnappen.
    Er begegnete niemandem, weder den Brüdern Malik noch ihrer Dienerschaft. Alles war an diesem Abend wie ausgestorben, und kurz vor zehn ließ er das Licht, das in Jeannes Zimmer brannte und in der Küche des Gasthofs, wo Raymonde sich aufhielt, hinter sich zurück und begab sich wie am Vortag zur Station.
    Die kleinen Gläser Weißwein hatten zweifellos ihre Wirkung getan, denn der Schrankenwärter saß nicht auf seiner Bank neben der Haustür. Maigret konnte vorbeigehen, ohne gesehen zu werden, und dem Bahndamm folgen.
    Hinter dem Vorhang aus Haselnußsträuchern, ungefähr an der Stelle, wo er sich am Vorabend versteckt hatte, fand er Mimile auf seinem Posten, einen friedlichen Mimile, der breitbeinig, mit einer erloschenen Zigarette zwischen den Lippen, dastand und frische Luft zu schöpfen schien.
    »Ist er noch nicht gekommen?«
    »Nein.«
    So warteten sie schweigend. Nur hin und wieder flüsterten sie sich ein paar Worte ins Ohr. Wie am Vorabend war bei Bernadette Amorelle ein Fenster weit auf, und manchmal sah man die alte Dame in dem schwachen Lichtstreifen vorübergehen.
    Erst um halb elf zeichnete sich eine Gestalt in Maliks Park ab, und alles verlief genauso wie in der vergangenen Nacht. Der Mann, der ein Paket trug, wurde von den Hunden begleitet, die ihm bis zur oberen Hütte folgten. Er ging hinein, blieb länger drin als am Vorabend und kehrte ins Haus zurück, wo im ersten Stock ein Fenster erstrahlte, einen Augenblick geöffnet wurde; dann senkten sich die Jalousien herab.
    Bevor sie sich schlafen legten, streunten die Hunde durch den Park und kamen auch an die Mauer, wo sie vermutlich die Nähe der beiden Männer witterten.
    »Soll ich jetzt, Chef?« flüsterte Mimile.
    Eine der dänischen Doggen bewegte die Lefzen, als ob sie bellen wollte, doch der Mann aus dem Luna-Park hatte ihr bereits etwas zugeworfen, das mit einem dumpfen Laut auf den Boden schlug.
    »Wenigstens sind sie besser dressiert, als ich dachte«, murmelte Mimile. »Aber ich habe keine Angst. Die Bürger können keine Hunde dressieren, und selbst wenn man ihnen ein gut abgerichtetes Tier gibt, haben sie es bald verdorben.«
    Er hatte recht. Die beiden Doggen strichen witternd um das herum, was man ihnen hingeworfen hatte. Maigret hatte besorgt seine Pfeife ausgehen lassen. Endlich schnappte einer der Hunde das Fleisch mit spitzen Zähnen und schüttelte es, während der andere eifersüchtig ein bedrohliches Knurren vernehmen ließ.
    »Es ist genug da!« spottete Mimile und warf ein zweites Stück hinüber. »Ihr braucht euch nicht zu streiten, meine Lämmer!«
    Es dauerte kaum fünf Minuten. Man sah, wie die weißen Tiere einen Augenblick umherirrten, angeschlagen im Kreis liefen und sich dann auf die Seite legten; und in diesem Moment war Maigret nicht stolz auf sich.
    »Geschafft, Chef! Gehen wir?«
    Es war besser, noch etwas zu warten, die finstere Nacht und das Erlöschen der Lichter abzuwarten. Mimile wurde ungeduldig.
    »Gleich wird der Mond aufgehen, und schon ist es zu spät.«
    Mimile hatte ein Seil mitgebracht, das bereits am Stamm einer jungen Esche zwischen Bahndamm und Mauer befestigt war.
    »Warten Sie, bis ich drüben bin.«
    Die Mauer war über drei Meter hoch, aber in gutem Zustand und ohne Vorsprünge.
    »Schwieriger wird es von der anderen Seite sein. Es sei denn, es findet sich eine Leiter in diesem verdammten Garten.

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