Maigret - 26 - Maigret regt sich auf
lautlos geöffnet worden war:
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie stören muß, meine Herren.«
Der Lichtkegel von Maigrets Taschenlampe fiel auf Ernest Malik, der sehr ruhig, einen dicken Revolver in der Hand, vor ihnen stand.
»Ich glaube, mein armer Jules, daß ich das Recht hätte, dich und deinen Komplizen über den Haufen zu knallen.«
Von unten herauf hörte man den Jungen mit den Zähnen klappern.
6
Mimile und sein Gefangener
Ohne sich im geringsten überrascht zu zeigen, wendete Maigret sich langsam dem Neuankömmling zu und schien den Revolver gar nicht zu sehen, den Malik auf ihn gerichtet hielt.
»Hol den Jungen da raus«, sagte er in ganz normalem Ton, wie jemand, der etwas zu vollbringen versucht hat, jedoch ohne Erfolg blieb und nun einen anderen bittet, es seinerseits zu versuchen.
»Hör zu, Maigret …«, begann Ernest Malik.
»Jetzt nicht. Nicht hier. Nachher höre ich dir so lange zu, wie du willst.«
»Gibst du zu, daß du dich in die Nesseln gesetzt hast?«
»Ich sage dir, du sollst dich um das Kind kümmern. Kannst du dich nicht entschließen? Los, Mimile, klettere in das Loch!«
Da erst sagte Ernest Malik mit trockener Stimme:
»Du kannst rauskommen, Georges-Henry.«
Das Kind rührte sich nicht.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe? Komm raus! Die Strafe war hart genug.«
Maigret zuckte zusammen. Ach so, das wollte man ihm also aufbinden! Daß es sich um eine Strafe handelte!
»Du bist nicht stark, Malik.«
Und über das Loch geneigt, in mildem und ruhigem Ton:
»Sie können jetzt rauskommen, Georges-Henry. Sie brauchen nichts zu fürchten. Weder von Ihrem Vater noch von jemand anderem.«
Mimile streckte die Hand aus und half dem jungen Mann, sich auf den Fußboden der Hütte zu hangeln. Georges-Henry blieb gekrümmt stehen, vermied es, seinen Vater anzusehen, und lauerte auf einen günstigen Moment, um davonzurennen.
Und das hatte Maigret vorausgesehen. Denn er hatte alles geahnt, selbst und vor allem das unerwartete Erscheinen Maliks, so daß Mimile die nötigen Anweisungen erhalten hatte, die er nun nur noch auszuführen brauchte.
Die vier Männer konnten nicht endlos lange in der ehemaligen Hundehütte stehenbleiben, und so ging Maigret als erster, ohne sich um Malik zu kümmern, der ihm den Weg versperrte, auf die Tür zu.
»Wir unterhalten uns besser im Haus«, murmelte er.
»Du willst dich unterhalten?«
Der Kommissar zuckte die Achseln. Während er an Mimile vorbeikam, fand er Zeit, ihm einen Blick zuzuwerfen, der soviel besagte wie:
›Achtung, an die Arbeit!‹
Denn sie war nicht leicht, und eine falsche Bewegung konnte alles verderben. Sie traten einer nach dem anderen hinaus, und Georges-Henry verließ als letzter die Hütte, vielmehr: Er schlich nach draußen und vermied es, seinem Vater zu nahe zu kommen. Alle vier schritten die Allee entlang, und nun war es an Malik, eine gewisse Unruhe zu zeigen. Es war stockdunkel. Der Mond war noch nicht aufgegangen. Maigret hatte seine Taschenlampe ausgemacht.
Sie hatten keine hundert Meter mehr zurückzulegen. Worauf wartete der Junge? Sollte sich der Exkommissar getäuscht haben? Man hatte jetzt den Eindruck, daß keiner zu sprechen wagte, und niemand wollte die Verantwortung dafür übernehmen, was geschehen würde.
Noch sechzig Meter. In einer Minute würde es zu spät sein, und Maigret hatte Lust, Georges-Henry einen Rippenstoß zu geben, um ihn an die Wirklichkeit zu erinnern.
Zwanzig Meter … Zehn Meter … Er mußte sich fügen. Was sollten die vier in einem Zimmer dieses Hauses machen, dessen weiße Fassade man zu erkennen begann?
Fünf Meter. Zu spät! Oder doch nicht. Georges-Henry erwies sich als gewitzter denn Maigret selbst, eines hatte er nämlich bedacht: An der Villa angekommen, würde sein Vater die Führung der kleinen Gruppe übernehmen, um die Tür aufzuschließen.
Genau in diesem Augenblick machte er einen Satz, und eine Sekunde später hörte man die Blätter und Zweige im Gebüsch des Parks rascheln. Mimile hatte das Manöver nicht verhindert und rannte hinter dem Jungen her.
Malik hatte kaum eine Sekunde verpaßt, aber es war eine Sekunde zuviel. Im ersten Reflex wollte er seinen Revolver auf die Gestalt des Mannes vom Zirkus richten. Er hätte geschossen. Bevor er jedoch auf den Abzug drücken konnte, hatte Maigret ihm mit der Faust auf den Unterarm geschlagen, und die Waffe fiel zu Boden.
»So!« bemerkte der Kommissar zufrieden.
Verächtlich schleuderte er das Schießeisen mit
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