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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Maigret verstohlen an? War es nicht, als hätte man Maigrets Toten entehrt?
    »Ich weiß nicht, wie sie es verdient hat«, fuhr der Kranarbeiter fort, »aber so, wie die gebaut ist, bestimmt nicht auf dem Strich.«
    Maigret zuckte nicht mit der Wimper, ja, es spielte sogar ein leichtes Lächeln um seinen Mund. Kein Wort der Unterhaltung entging ihm. Die Worte verwandelten sich automatisch in Bilder. Das Bild des kleinen Albert nahm allmählich Konturen an, und der Kommissar schien dem Menschen, der da immer deutlicher zum Vorschein kam, seine ganze Zuneigung zu bewahren.
    »Aus welcher Gegend seid ihr eigentlich?«
    »Berry«, antwortete Irma.
    »Ich aus dem Cher«, sagte Chevrier.
    »Dann seid ihr also nicht zusammen mit Albert aufgewachsen. Er stammt nämlich aus dem Norden. Kommt er nicht aus Tourcoing, Jules?«
    »Aus Roubaix.«
    »Das ist gehupft wie gesprungen.«
    Maigret mischte sich ins Gespräch, was in einer Stammkneipe wie dieser nicht weiter auffiel.
    »Hat er nicht in der Nähe der Gare du Nord gearbeitet?«
    »Ja, im ›Cadran‹. Er war dort zehn oder zwölf Jahre lang in der gleichen Kneipe Kellner, bevor er sich hier niedergelassen hat.«
    Maigret hatte diese Frage nicht zufällig gestellt. Er wusste, dass die Leute aus dem Norden, wenn sie nach Paris kommen, sich nur sehr schwer von »ihrem« Bahnhof trennen können und eine regelrechte Kolonie um die Rue de Maubeuge herum bilden.
    »Dort hat er Nine bestimmt nicht kennengelernt!«
    »Dort oder anderswo, er hat mit ihr das große Los gezogen. Nicht in Bezug auf das bisschen Geld natürlich … Aber sonst war er jedenfalls mit ihr alle Sorgen los.«
    »Ist sie aus dem Süden?«
    »Zu hundertfünfzig Prozent!«
    »Aus Marseille?«
    »Aus Toulouse! Mit einem Akzent, der sich gewaschen hat! Da kann nicht mal der Moderator von Radio-Toulouse mithalten … Zahlen, Schätzchen! Aber sag mal, Chef, sind wir nicht eingeladen?«
    Chevrier runzelte verständnislos die Brauen. Maigret jedoch hatte begriffen. Er warf ein:
    »Er hat recht. Wenn ein Lokal einen neuen Wirt bekommt, muss das begossen werden …«
    Alles in allem kamen nur sieben Gäste zum Mittagessen. Einer der Küfer von Cess, ein Mann mittleren Alters mit mürrischem Gesicht, aß stumm in einer Ecke. Er ärgerte sich über alles, über die Küche, die nicht mehr dieselbe war, über das Besteck, das nicht das seine war, über den Weißwein, den man ihm anstelle des gewohnten Rotweins servierte.
    »Das wird eine Kneipe wie alle anderen«, brummte er beim Weggehen. »Es ist immer dasselbe.«
    Chevrier machte das Ganze schon nicht mehr so viel Spaß wie am Morgen. Nur Irma nahm alles von der heiteren Seite, jonglierte mit den Schüsseln und ganzen Stößen von Tellern und wusch dann trällernd das Geschirr ab.
    Um halb zwei waren nur noch Maigret und Lucas im Lokal. Die tote Zeit begann, in der nur hin und wieder ein Gast auftauchte, ein Passant, der Durst hatte, oder ein paar Matrosen, die hier warteten, bis ihr Schiff geladen hatte.
    Maigret rauchte eine Pfeife, den Bauch nach vorn gereckt. Er hatte viel gegessen, vielleicht um Irma eine Freude zu machen. Ein Sonnenstrahl wärmte eines seiner Ohren, und er schien glücklich vor sich hin zu dösen; aber dann trat er plötzlich unter dem Tisch Lucas auf den Fuß.
    Draußen war gerade ein Mann vorbeigegangen. Er hatte aufmerksam ins Innere des Lokals gespäht, war nach kurzem Zögern umgekehrt und auf die Tür zugegangen.
    Er war mittelgroß und trug weder Hut noch Mütze. Er hatte rotes Haar, Sommersprossen, blaue Augen und fleischige Lippen.
    Seine Hand drehte am Türknopf. Dann trat er, immer noch zögernd, ein. Seine Haltung hatte etwas Schleichendes, und seine Bewegungen waren merkwürdig vorsichtig.
    Seine stark abgenutzten Schuhe waren tagelang nicht geputzt worden. Der dunkle Anzug war abgeschabt, das Hemd nicht sehr sauber, die Krawatte schlecht gebunden.
    Er erinnerte an eine Katze, die vorsichtig in ein fremdes Zimmer schleicht, alles um sich herum beobachtet und sofort jede Gefahr wittert. Seine Intelligenz schien unter dem Durchschnitt zu liegen. Dorftölpel haben oft solche Augen, aus denen nur instinktive Verschlagenheit und Misstrauen sprechen.
    Maigret und Lucas waren ihm offensichtlich unheimlich. Er traute ihnen nicht, ging schräg durchs Lokal auf die Theke zu, ohne sie aus den Augen zu lassen, und klopfte mit einem Geldstück auf den Tresen.
    Chevrier, der in einer Ecke der Küche beim Essen war, erschien.
    »Was darf’s

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