Maigret - 38 - Maigret und die Bohnenstange
Wind war aufgekommen, und alle Fenster im Gebäude waren offen geblieben.
»Ich habe Gertrude Oosting in Amsterdam erwischen können. Genauer gesagt: Ich hatte ihr Dienstmädchen an der Strippe. Zum Glück habe ich einen freundlichen Menschen aufgetrieben, der bei der Fremdenpolizei auf eine Kennkarte wartete und mir als Dolmetscher half, denn das Mädchen sprach kein Wort Französisch. Ich musste dann noch einmal anrufen. Unglücklicherweise hat die Dame Oosting mit ihrem Gatten heute Nachmittag um vier das Haus verlassen. Es gibt bei ihnen heute irgendein Konzert im Freien mit einem Kostümumzug. Anschließend sind die Oostings mit Freunden zum Abendessen verabredet; wo, weiß das Mädchen nicht. Sie kann auch nicht sagen, wann sie nach Hause kommen. Jedenfalls ist sie beauftragt worden, die Kinder zu Bett zu bringen. Übrigens, da wir gerade von Kindern reden …«
»Ja, was?«
»Ach nichts, Chef.«
»Sag es, los!«
»Es ist weiter nichts. Nur dass meine Frau enttäuscht ist. Unser Ältester hat heute Geburtstag. Sie hatte ein leckeres kleines Abendessen vorbereitet. Na, macht nichts.«
»Hast du das Dienstmädchen fragen lassen, ob Gertrude Oosting Französisch spricht?«
»Das tut sie.«
»Dann hau ab!«
»Was?«
»Hau ab, sag ich! Lass mir deine Butterbrote da; ich bleibe dann hier.«
»Madame Maigret wird das aber bestimmt gar nicht recht sein!«
Janvier hatte noch ein wenig herumgedruckst und sich bitten lassen und war dann davongeeilt, um seinen Vorortszug zu erreichen.
Maigret hatte allein in seinem Büro gegessen und war dann zu einem Schwätzchen mit Moers ins Labor gegangen. Moers verließ das Haus erst um neun Uhr, als es völlig Nacht geworden war.
»Alles klar?«
»Ja, Chef.«
Er nahm einen Fotografen mit und eine Menge Apparate. Es war nicht gerade legal, aber seit er wusste, dass Guillaume Serre zwei Fensterscheiben und nicht nur eine gekauft hatte, spielte das alles kaum noch eine Rolle.
»Verbinden Sie mich bitte mit Amsterdam …«
Das Dienstmädchen am anderen Ende der Leitung kauderwelschte irgendetwas, und er glaubte verstanden zu haben, dass Madame Oosting noch nicht nach Hause gekommen war.
Dann rief er seine Frau an.
»Würde es dir etwas ausmachen herzukommen und mit mir ein Gläschen auf der Terrasse der ›Brasserie Dauphine‹ zu trinken? Ich habe hier wahrscheinlich noch eine oder zwei Stunden zu tun. Nimm dir ein Taxi.«
Es war kein unerfreulicher Abend. Alle beide fühlten sich ebenso behaglich wie auf einer Restaurantterrasse an den großen Boulevards, mit dem einzigen Unterschied, dass sie nur die Aussicht auf die große, weiß leuchtende Treppe des Palais de Justice hatten.
In der Rue de la Ferme war jetzt alles in vollem Gang. Maigret hatte seine Leute angewiesen zu warten, bis die Serres zu Bett gegangen waren. Torrence sollte für alle Fälle vor dem Haus Wache stehen, während die anderen in die Garage eindrangen, die man von den Fenstern des Hauses aus nicht sehen konnte, und das Auto einer sorgfältigen Untersuchung unterzogen. Für diese Aufgabe waren Moers und der Fotograf ausersehen. Sie würden das Unterste zuoberst kehren, grobes Geschütz auffahren: Fingerabdrücke, Entnahme von Staubproben und der ganze Klimbim.
»Du siehst zufrieden aus.«
»Ich kann mich nicht beklagen.«
Er gestand ihr nicht, dass er vor ein paar Stunden von solch guter Laune weit entfernt gewesen war, und kippte nacheinander ein paar Schnäpse, während Madame Maigret nur einen Kräutertee trank.
Zweimal ließ er sie allein, um von seinem Büro aus Amsterdam anzurufen. Erst um halb zwölf vernahm er eine Stimme, die nicht die des Dienstmädchens war und die ihm auf Französisch antwortete:
»Ich verstehe Sie nicht sehr gut!«
»Ich sagte, dass ich aus Paris anrufe.«
»Oh! Paris!«
Sie sprach mit starkem Akzent, der keineswegs unangenehm war.
»Hier ist die Kriminalpolizei.«
»Die Polizei?«
»Ja. Ich rufe Sie wegen Ihrer Freundin Maria an. Sie kennen doch Maria Serre, nicht wahr? Mit Mädchennamen hieß sie van Aerts.«
»Wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht. Das möchte ich gerade Sie fragen. Hat sie Ihnen oft geschrieben?«
»Ja, sehr oft. Ich sollte sie am Mittwochmorgen vom Bahnhof abholen.«
»Haben Sie auf sie gewartet?«
»Ja.«
»Ist sie angekommen?«
»Nein.«
»Hat sie Sie telegraphisch oder telefonisch benachrichtigt, dass sie nicht käme?«
»Nein. Ich bin sehr beunruhigt!«
»Ihre Freundin ist spurlos verschwunden.«
»Was wollen Sie damit
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