Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer
herein.«
Ein Kind weinte. Der Vater stieß es mit einer brutalen Geste ins Nebenzimmer, wo man das Fußende eines Bettes erkennen konnte.
»Du kannst uns allein lassen!« sagte Laberge zu seiner Frau.
Auch ihre Augen waren rotgeweint. Der Streit mußte während des Essens ausgebrochen sein, denn es standen noch halbvolle Teller auf dem Tisch.
»Was wollen Sie wissen?«
»Wann waren Sie das letztemal in Fécamp?«
»Heute vormittag. Ich war mit dem Fahrrad dort. Es ist kein Vergnügen, den ganzen Tag das Gezeter einer Frau anzuhören. Da ist man monatelang auf See, rackert sich ab, und wenn man heimkommt …«
Sein Zorn hatte sich noch nicht gelegt. Allerdings mußte er ziemlich viel getrunken haben, denn sein Atem roch stark nach Alkohol.
»Sie sind alle gleich! Eifersüchtig und sonst noch was! Sie bilden sich ein, man habe nichts anderes im Kopf, als den Mädchen nachzurennen! Da hören Sie! Jetzt verdrischt sie den Jungen, um sich abzureagieren!«
Das Kind im Nebenzimmer schrie tatsächlich. Man hörte die Frau rufen:
»Willst du still sein! Na, bist du still!«
Sicher bekräftigte sie ihre Worte mit Ohrfeigen oder Hieben, denn das Geschrei wurde immer lauter.
»Oh! Was für ein herrliches Leben!«
»Hat Kapitän Fallut Ihnen schon einmal irgendeinen Kummer, der ihn bedrückte, anvertraut?«
Der andere blickte ihn schräg an, rückte auf den nächsten Stuhl weiter.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Sie sind lange mit ihm ausgefahren, nicht wahr?«
»Fünf Jahre.«
»Und an Bord haben Sie immer zusammen gegessen.«
»Dieses Mal nicht! Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, alleine in seiner Kabine zu essen. Aber ich würde viel lieber nicht mehr über diese verfluchte Fahrt sprechen!«
»Wo waren Sie, als das Verbrechen begangen wurde?«
»Mit den anderen in der Kneipe. Man hat Ihnen das sicher schon gesagt.«
»Und glauben Sie, daß der Funker einen Grund hatte, über den Kapitän herzufallen?«
Plötzlich wurde Laberge ärgerlich.
»Was wollen Sie mit Ihrer Fragerei erreichen? Was soll ich Ihnen denn erzählen? Es war nicht meine Aufgabe, Polizist zu spielen, verstehen Sie? Ich habe die Nase voll. Von dieser Geschichte und von allem übrigen. So voll, daß ich mir überlege, ob ich mich für die nächste Fahrt überhaupt anheuern lasse!«
»Die letzte ist offensichtlich nicht gerade glänzend verlaufen?«
Wieder ein scharfer Blick zu Maigret.
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Daß alles verkehrt lief! Der Schiffsjunge ist tot. Es gab mehr Unfälle als sonst. Der Fang war nicht gut, und der Kabeljau kam verdorben in Fécamp an.«
»Ist es meine Schuld?«
»Das sage ich ja nicht. Ich frage Sie nur, ob es bei den Vorfällen, die Sie miterlebten, irgend etwas gibt, das den Tod des Kapitäns erklären könnte. Er war ein ruhiger Mensch, führte ein geregeltes Leben …«
Der Maschinist grinste, sagte aber nichts.
»Wissen Sie, ob er ein Liebesverhältnis hatte?«
»Wenn ich Ihnen doch sage, daß ich nichts weiß, daß ich die Nase bis hierhin voll habe! Will man mich verrückt machen? … Was willst du denn schon wieder?«
Seine Frau war ins Zimmer gekommen und ging an den Herd. Ein verbrannter Geruch stieg aus einem der Töpfe.
Sie war etwa fünfunddreißig. Weder hübsch noch häßlich.
»Einen Augenblick nur«, sagte sie demütig. »Das Hundefutter …«
»Beeil dich! … Bist du noch nicht fertig?«
Und zu Maigret:
»Darf ich Ihnen einen guten Rat geben? Lassen Sie die Finger davon. Fallut ist dort, wo er jetzt ist, gut aufgehoben. Je weniger darüber gesprochen wird, desto besser ist es. Kapieren Sie endlich: Ich weiß nichts, und wenn man mir auch den ganzen Tag über Fragen stellte, ich hätte kein Wort mehr hinzuzufügen! … Sind Sie mit dem Zug gekommen? In zehn Minuten geht einer, wenn Sie den nicht nehmen, müssen Sie bis heute abend um acht Uhr warten!«
Er hatte die Tür geöffnet. Die Sonne schien in das Zimmer.
»Auf wen ist Ihre Frau eifersüchtig?« fragte der Kommissar leise, als er schon auf der Schwelle stand.
Laberge preßte die Lippen zusammen.
»Kennen Sie diese Person?«
Und Maigret zeigte ihm das Foto, auf dem der Kopf unter dem Gekritzel mit roter Tinte verschwand. Doch er verbarg diese Stelle mit seinem Daumen, so daß man nur die Seidenbluse sah.
Der andere warf ihm einen schnellen Blick zu und wollte das Bild ergreifen.
»Erkennen Sie sie wieder?«
»Wie sollte ich sie wiedererkennen?«
Noch einmal streckte er die Hand aus, doch Maigret
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