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Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Titel: Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ließ das Foto schon wieder in seiner Tasche verschwinden.
    »Kommen Sie morgen nach Fécamp?«
    »Ich weiß nicht. Brauchen Sie mich?«
    »Nein. Ich fragte nur so. Ich danke Ihnen für die Auskünfte, die Sie mir freundlicherweise gegeben haben.«
    »Ich habe Ihnen überhaupt keine Auskünfte gegeben!«
    Maigret hatte noch keine zehn Schritte gemacht, als die Tür mit einem Fußtritt zugeschlagen wurde und im Innern des Hauses wieder lautes Gezeter ausbrach. Der Streit schien seine Fortsetzung zu nehmen.
     
    Der Chefmaschinist hatte die Wahrheit gesagt: Vor acht Uhr abends gab es keinen Zug mehr nach Fécamp. Maigret landete schließlich, da er nichts Besseres zu tun wußte, am Strand, wo er sich auf der Terrasse eines Hotels niederließ.
    Es herrschte die gewohnte Ferienstimmung: rote Sonnenschirme, weiße Kleider, Flanellhosen. Eine Gruppe von Neugierigen um ein Fischerboot, das mit einer Winde an Land gezogen wurde.
    Links und rechts helle Felswände. Davor das Meer, blaßgrün mit weißen Wellenkronen, und das regelmäßige Rauschen der Wellen, die ans Ufer schlugen.
    »Ein Bier!«
    Die Sonne stach. Am Nebentisch aß eine Familie Eis. Ein junger Mann fotografierte, und von irgendwoher drangen die spitzen Stimmen junger Mädchen.
    Maigret ließ seinen Blick ins Weite schweifen und hing verträumt seinen Gedanken nach, die um einen Kapitän Fallut kreisten, dessen Bild immer verschwommener wurde.
    »Danke sehr!«
    Diese beiden Wörtchen rissen ihn aus seiner Träumerei, nicht ihrer Bedeutung wegen, sondern weil sie so trocken und ironisch-kalt ausgesprochen wurden. Sie kamen aus dem Mund einer Frau, die hinter dem Kommissar saß.
    »Aber wenn ich dir sage, Adèle …«
    »Quatsch!«
    »Du wirst nicht wieder anfangen?«
    »Ich tu, was ich will!«
    Es war entschieden der Tag der Auseinandersetzungen. Am Vormittag hatte es begonnen, als Maigret den schimpfenden Direktor der Kabeljau-Gesellschaft getroffen hatte. In Yport ein Hauskrach bei den Laberges. Und jetzt wieder auf dieser Terrasse, wo sich ein ihm unbekanntes Pärchen immer heftiger zankte.
    »Denk lieber mal darüber nach!«
    »Quatsch!«
    »Hältst du das für eine sehr intelligente Antwort?«
    »Quatsch und nochmal Quatsch! Hast du kapiert? Garçon! Die Limonade ist lauwarm! Bringen Sie mir eine frische!«
    Die Frau hatte einen vulgären Akzent und sprach lauter, als es nötig war.
    »Du wirst dich dennoch entscheiden müssen!« fing der Mann wieder an.
    »Geh halt alleine hin! Ich habe es dir schon mal gesagt, laß mich in Ruhe!«
    »Du benimmst dich ekelhaft, weißt du das?«
    »Und du?«
    »Ich? Du wagst … Sieh an! Ich glaube, wenn wir nicht hier wären, würde es mir schwerfallen, mich zu beherrschen.«
    Sie lachte laut. Viel zu laut.
    »Sei still, ich bitte dich!«
    »Aber Chéri, warum sollte ich still sein?«
    »Darum!«
    »Muß schon sagen, eine sehr intelligente Antwort!«
    »Hältst du jetzt den Mund?«
    »Sobald ich will.«
    »Adèle, ich warne dich …«
    »Wovor? Daß du einen Skandal vor allen machst? Du bist schon dabei. Die Leute hören uns bereits zu!«
    »Denk lieber mal nach, dann würdest du verstehen.«
    Sie stand abrupt auf, wie jemand, der die Nase voll hat. Maigret kehrte ihr den Rücken, aber er sah ihren Schatten auf den Steinplatten der Terrasse größer werden. Dann kam sie an ihm vorüber, und er schaute ihr nach, wie sie an den Strand hinunterging.
    Im Gegenlicht war sie nur eine Silhouette vor dem sich rötenden Himmel. Dennoch konnte Maigret feststellen, daß sie kein Strandkleid anhatte, sondern ziemlich elegant gekleidet war, Seidenstrümpfe und hochhackige Schuhe trug, die ihr beim Gehen auf dem Kieselstrand natürlich große Schwierigkeiten bereiteten. Alle Augenblicke drohte sie umzuknicken und sich den Knöchel zu verstauchen.
    Aber sie schritt energisch weiter, setzte wütend einen Fuß vor den anderen.
    »Was schulde ich Ihnen, Garçon?«
    »Aber ich muß noch die Limonade für Madame bringen …«
    »Lassen Sie es! Wieviel?«
    »Neun Francs fünfzig. Sie werden nicht hier zu Abend essen?«
    Maigret drehte sich um und schaute sich den Mann an, der sehr verlegen war, weil er wußte, daß man an den Nebentischen alles mitbekommen hatte.
    Er war hochgewachsen und von einer dubiosen Eleganz. Seine Augen blickten müde und sein ganzes Gesicht verriet eine heftige Nervosität.
    Er erhob sich und wußte nicht recht, welche Richtung er einschlagen sollte. Schließlich entschloß er sich, wobei er versuchte, sich den

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