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Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer

Titel: Maigret am Treffen der Neufundlandfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Havre war offiziell mit der Leitung der Untersuchung beauftragt. Ein junger Inspektor begleitete ihn.
    Maigrets Anwesenheit war privater Natur. Er saß ganz am Ende des Tisches und hatte noch nichts gesagt.
    »Die Sache scheint mir dennoch sehr einfach zu liegen«, wagte der Inspektor mit einem um Zustimmung werbenden Blick auf seinen Chef zu sagen. »Diebstahl war nicht das Motiv dieses Verbrechens. Also handelt es sich um einen Racheakt. Mit wem ist Kapitän Fallut während der Fahrt am härtesten umgegangen?«
    Aber der Kommissar aus Le Havre zuckte nur die Schultern, und der Inspektor verstummte errötend.
    »Dennoch …«
    »Nein, nein, mein Lieber! Da ist etwas anderes. Einmal diese Frau, die Sie aufgestöbert haben, Maigret … Haben Sie den Gendarmerien alle Hinweise gegeben, damit sie ausfindig gemacht werden kann? … Mir ist ihre Rolle bis jetzt noch nicht klar. Das Schiff war drei Monate unterwegs. Sie war nicht einmal am Hafen, als es zurückkehrte, jedenfalls hat uns niemand auf sie aufmerksam gemacht. Der Funker ist verlobt. Kapitän Fallut war, wie man sagt, nicht der Typ, der Dummheiten machte. Und doch schrieb er, kurz bevor er ermordet wurde, sein Testament …«
    »Es wäre auch interessant zu wissen, wer es übernommen hat, dieses Testament hierher zu bringen«, sagte Maigret mit einem Seufzer. »Es gibt da einen kleinen Reporter – er trägt immer einen beigen Regenmantel –, der im L ’ Eclair de Ronen behauptet, die Reederei habe die ›Océan‹ mit einer ganz anderen Mission als der des Kabeljaufangs beauftragt …«
    »Das heißt es doch jedesmal!« brummte der Kommissar von Fécamp.
    Die Unterhaltung lief schleppend. Eine lange Zeit wurde gar nichts geredet, und man hörte nur das Knistern von Maigrets brennender Pfeife. Plötzlich hob sich der Kommissar mühsam aus seinem Stuhl.
    »Wenn ich diesen Fall charakterisieren sollte«, meinte er, »würde ich sagen, daß er unter dem Zeichen des Zorns steht. Wer auch immer auf dem Schiff war, alle sind sie mürrisch, gereizt, aufbrausend. Die Besatzung geht ins Rendez-vous des Terre-Neuvas, betrinkt sich. Es gibt Schlägereien. Der Funker, den ich mit seiner Braut besuche, kann seine Nervosität kaum verbergen und zeigt sich ihr gegenüber ziemlich kalt. Es fehlte nur noch, daß er sie bat, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern! Der Chefmaschinist aus Yport überwirft sich mit seiner Frau und empfängt mich wie einen Strolch. Schließlich begegne ich noch zwei Personen, die ebenso gezeichnet zu sein scheinen: die besagte Adèle und ihr Begleiter. Sie zanken sich am Strand und vertragen sich dann nur wieder, um gemeinsam zu verschwinden.«
    »Was schließen Sie daraus?« fragte der Kommissar aus Le Havre.
    »Ich? Gar nichts! Ich stelle nur fest, daß ich das Gefühl habe, in einen Kreis von Tollwütigen geraten zu sein. Nun ja. Messieurs, guten Abend! Ich bin schließlich nicht von Amts wegen hier, und meine Frau erwartet mich im Hotel. Geben Sie mir Bescheid, Kommissar, wenn Sie die Dame aus Yport und den Mann mit dem grauen Wagen gefunden haben?«
    »Selbstverständlich! Gute Nacht!«
    Maigret ging nicht durch die Stadt zurück, sondern nahm den Weg entlang der Kais. Seine Hände steckten in den Taschen, die Pfeife hatte er zwischen den Zähnen. Das leere Hafenbecken war ein großes schwarzes Viereck, in dem nur die Lampen der »Ocean« funkelten, deren Ladung man immer noch löschte.
    »… unter dem Zeichen des Zorns«, murmelte Maigret vor sich hin.
    Niemand achtete auf ihn, als er an Bord ging. Wie ziellos schlenderte er über das Deck. In einer Luke im Vorderdeck entdeckte er einen Lichtschein. Er bückte sich. Ein heißer Luftzug schlug ihm entgegen und ein Geruch, der an eine Kasernenstube, ein Refektorium und an einen Fischmarkt zugleich erinnerte.
    Er stieg die Eisentreppe hinab und sah sich drei Männern gegenüber, die Kochgeschirre auf ihren Knien hatten und aßen. Das Licht kam von einer Petroleumlampe mit kardanischer Aufhängung. In der Mitte des Raums stand ein fettverkrusteter gußeiserner Ofen. An den Wänden reihten sich die Schlafkojen, immer vier übereinander, die einen voll Stroh, die anderen leer. Stiefel standen herum, und an ein paar Nägeln hingen Südwester.
    Nur einer der drei hatte sich erhoben: P’tit Louis. Die beiden anderen waren der Bretone und ein barfüßiger Neger.
    »Guten Appetit!« murmelte Maigret.
    Man dankte ihm grunzend.
    »Wo sind eure Kameraden?«
    »Zu Hause, wo sonst?« antwortete P’tit

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