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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Inspektor hat Sie bereits aufgesucht?«
    »Ein Herr, der vorgab, von der Polizei zu sein, der laut geworden ist und der beim Hinaus gehen gerufen hat, man würde noch von ihm hören …«
    Maigret entschuldigte sich für ihn und blieb dabei ruhig, höflich und respektvoll. Er fand noch einige verbindliche Worte, und wenig später war eine Laienschwester damit beauftragt, Maria Peeters mitzuteilen, daß ein Herr sie sprechen wolle.
    »Ein sehr tüchtiges Mädchen, nicht wahr, meine Mu t ter?«
    »Ich kann nur das Allerbeste von ihr sagen. Anfangs hatten der Schulgeistliche und ich gezögert, sie aufz u nehmen, wegen des Gewerbes ihrer Eltern … Nicht der Lebensmittelladen, sondern der Ausschank … Wir h a ben darüber hinweggesehen und können uns zu dieser En t scheidung nur beglückwünschen. Geste rn hat sich Maria, als sie eine Treppe hinab gestiegen ist, den Knöchel ve r staucht. Seitdem liegt sie zu Bett und ist sehr niederg e schlagen, denn sie weiß, daß es uns einiges Kopfzerbrechen bereitet, wenn sie für den Unterricht ausfällt …«
    Die Laienschwester kam zurück. Maigret folgte ihr durch endlose Flure. Er begegnete mehreren Gruppen von Schülerinnen, die alle gleich angezogen waren: ein schwa r zes Plisseekleid und ein Band aus blauer Seide um den Hals.
    Schließlich öffnete die Schwester im dritten Stock eine Tür. Sie war sich nicht sicher, ob sie gehen oder ble i ben sollte.
    »Lassen Sie uns allein, Schwester …«
    Ein kleines, ganz schlichtes Zimmer. Mit Ölfarbe gestrichene Wände, an denen schwarz gerahmte Lithogr a phien mit religiösen Motiven und ein großes Kruzifix hingen.
    Ein Eisenbett. Eine magere, unter der Decke kaum wahrnehmbare Gestalt .
    Maigret konnte ihr Gesicht nicht sehen. Sie sagte auch nichts. Als die Tür wieder geschlossen war, blieb er eine Weile unbeweglich stehen. Der durchnäßte Hut und der schwere Mantel störten ihn.
    Schließlich hörte er ein unterdrücktes Schluchzen. Aber Maria Peeters lag noch immer mit dem Gesicht zur Wand und versteckte sich in den Kissen.
    »So beruhigen Sie sich doch«, hörte er sich sagen.
    »Ihre Schwester Anna wird Ihnen sicher erzählt haben, daß ich sozusagen als Freund gekommen bin …«
    Aber damit konnte er das Mädchen nicht beruhigen. Im Gegenteil, ihr Körper wurde jetzt von heftigen Krämpfen geschüttelt.
    »Was hat denn der Arzt gesagt? Werden Sie noch lange das Bett hüten müssen?«
    Es war schon merkwürdig, mit jemandem so zu sprechen, den man nicht sah – vor allem, da Maigret das Mädchen gar nicht kannte!
    Das Schluchzen ließ nach. Offenbar beruhigte sie sich ein wenig. Sie schniefte, und ihre Hand suchte unter dem Kopfkissen nach einem Taschentuch.
    »Warum sind Sie so nervös? Die Ehrwürdige Mutter hat mir eben noch gesagt, wie sehr sie Sie schätzt!«
    »Lassen Sie mich in Frieden!« bat sie.
    In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft, und die Mutter Oberin trat ein, als ob sie den rechten M o ment zum Einschreiten abgepaßt hätte.
    »Entschuldigen Sie, aber ich weiß, wie sensibel unsere arme Maria ist …«
    »War sie schon immer so?«
    »Sie hat ein sehr empfindsames Wesen … Als ihr klar wurde, daß ihre Verstauchung sie mindestens eine W o che lang ans Bett fesseln und daran hindern würde, Stunden zu geben, war sie völlig verzweifelt. Zeigen Sie uns Ihr Gesicht, Maria …«
    Das Mädchen schüttelte nur heftig den Kopf.
    »Wir kennen natürlich«, fuhr die Oberin fort, »die Beschuldigungen, die einige Leute gegen die Familie erhoben haben. Ich habe drei Messen lesen lassen, damit die Wahrheit bald ans Licht kommen möge … Auch eben habe ich bei der Andacht noch einmal für Sie geb e tet, Maria …«
    Endlich wandte sie ihnen ihr kleines, ganz schmales und bleiches Gesicht zu, auf dem das Fieber und die Tränen rote Flecken hinterlassen hatten.
    Sie ähnelte ganz und gar nicht Anna, sondern eher ihrer Mutter, deren fein geschnittene Gesichtszüge sie hatte, aber unglücklicherweise waren sie so unregelmäßig, daß man sie nicht hübsch nennen konnte. Die Nase war zu lang und spitz, der Mund groß und schmal.
    »Bitte verzeihen Sie mir!« sagte sie und trocknete sich die Augen mit dem Taschentuch. »Ich bin zu nervös! Der Gedanke, daß ich hier liege, während … Sie sind Kommissar Maigret, nicht wahr? Haben Sie meinen Bruder gesehen?«
    »Ich habe noch vor weniger als einer Stunde mit ihm gesprochen. Er ist bei Ihnen zu Hause, mit Anna und Ihrer Kusine Marguerite …«
    »Wie geht es

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