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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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die Haare frisch gekämmt und noch feucht.
    »Ich wußte nicht, daß Sie hier sind, Herr Kommissar   …«
    Er wagte nicht, ihm die Hand zu reichen, und wandte sich an Marguerite:
    »Und du hast ihm noch nichts angeboten?«
    Im Laden unterhielten sich einige Leute auf flämisch. Anna kam auch herein, unbekümmert und zufrieden, und verneigte sich, wie sie es wahrscheinlich in der Kl o sterschule gelernt hatte.
    »Stimmt es, Herr Kommissar, daß es gestern abend in einem Lokal in der Stadt einen Skandal gegeben hat? Ich frage, weil die Leute hier immer übertreiben … Aber setzen Sie sich doch! Joseph, geh und hol etwas zu tri n ken.«
    Im Kamin glühten Eierkohlen. Der Klavierdeckel war hochgeklappt.
    Maigret versuchte, sich über ein Gefühl klarzuwerden, das er nicht loswurde, seit er hereingekommen war, aber jedesmal, wenn er fast zu wissen glaubte, was es war, entglitt es ihm wieder.
    Irgend etwas war verändert. Er wußte nur nicht, was.
    Und er war mürrisch. Er machte ein verschlossenes Gesicht und hatte die Stirn gerunzelt, wie immer, wenn er einen schlechten Tag hatte. Am liebsten hätte er irgend etwas Ungehöriges angestellt, um diese ganze Harmonie zu zerstören, die ihn umgab.
    Vor allem Anna rief dieses merkwürdige Gefühl in ihm wach. Sie trug noch immer das gleiche graue Kleid, das ihrer Gestalt das Aussehen einer Statue verlieh.
    Hatten sich wirklich nur die Ereignisse gegen sie verschworen? Sie bewegte sich, ohne daß ihre Geste n eine einzige Falte ihrer Kleidung veränderten. Ihr Gesicht blieb he i ter.
    Wenn man sie so sah, hätte man sie für eine. Gestalt aus einer antiken Tragödie halten können, die sich in den armseligen Alltag einer kleinen Grenzstadt verirrt hatte.
    »Bedienen Sie auch manchmal im Laden?«
    Er hatte nicht gewagt zu sagen: im Bistro.
    »Oft! Ich vertrete Mutter.«
    »Und Sie schenken auch Alkohol aus?«
    Sie lächelte nicht, sondern begnügte sich damit, erstaunt zu fragen:
    »Warum nicht?«
    »Es kommt aber doch vor, daß die Schiffer betrunken sind, nicht wahr? Dann werden sie doch sicher recht vertrauensselig, vielleicht sogar zudringlich?«
    »Hier nicht!«
    Wieder das selbstsichere, unerschütterliche Standbild!
    »Möchten Sie lieber einen Portwein oder …?«
    »Lieber ein Glas von dem Genever, den Sie mir neulich angeboten haben.«
    »Geh und sag Mutter, sie soll dir die Flasche mit altem Schiedam geben, Joseph.«
    Und Joseph gehorchte .
    Würde Maigret seine Vorstellungen über die Hierarchie des Hauses revidieren müssen? Er hatte Joseph als den wahren Gott der Familie obenangestellt. Dann kam Anna. Dann Maria. Dann Madame Peeters, die sich um den Laden kümmerte. Und schließlich der Vater, der in seinem Sessel schlief.
    Anna schien unangefochten den ersten Platz einzunehmen.
    »Haben Sie noch nichts Neues entdeckt, Herr Kommissar? Sie wissen doch, daß die ersten Schiffe schon die Leinen loswerfen? Die Schiffahrt ist bis Lüttich wieder freigegeben, vielleicht sogar bis Maastricht. Noch zwei Tage, und es werden hier höchstens noch drei oder vier Lastkähne gleichzeitig liegen …«
    Warum sagte sie das?
    »Aber nein, Marguerite! Die Gläser mit dem Stiel!«
    Denn Marguerite hatte die falschen Gläser aus dem Schrank genommen.
    Maigret spürte noch immer das unwiderstehliche Ve r langen, die Harmonie zu zerstören, und da Joseph im Laden war und seine Kusine gerade die Gläser aussuc h te, nutzte er die Gelegenheit, um Anna rasch das Foto von Gérard Piedbœuf zu zeigen.
    »Ich muß mit Ihnen darüber sprechen!« sagte er halblaut.
    Er beobachtete sie gespannt. Aber wenn er gehofft ha t te, die Gelassenheit dieses Gesichts zu stören, so wurde er enttäuscht. Anna begnügte sich damit, ein komplizenhaftes Augenzwinkern anzudeuten, das soviel bedeutete wie:
    »Ja … aber nicht jetzt …«
    Und zu ihrem Bruder gewandt, der wieder hereinkam:
    »Sind noch viele Leute im Laden?«
    »Fünf.«
    Zugleich bewies Anna auch ein feines Gespür für Nuancen: auf der Flasche, die Joseph hereinbrachte, steckte ein dünner Ausgießer aus Zinn, der es ermöglichte, den Inhalt einzugießen, ohne einen einzigen Tropfen zu ve r schütten.
    Bevor sie die Gläser füllte, zog Anna den Ausgießer heraus und gab damit zu erkennen, daß er sich in einem Salon mit Gästen nicht schickte.
    Maigret wärmte sein Glas einen Augenblick lang in der hohlen Hand.
    »Auf Ihr Wohl«, sagte er.
    »Auf Ihr Wohl!« wiederholte Joseph Peeters, der als einziger mittrank.
    »Wir haben jetzt den

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