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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes

Titel: Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Der Kristalleuchter begann sachte zu klirren, als Maigret den großen Salon betrat, und das Parkett knarrte unter seinen Füßen.
    Aus reiner Neugier betätigte er den Lichtschalter. Zehn von den insgesamt zwanzig Glühbirnen flammten auf, waren aber so dicht mit Staub bedeckt, daß sie nur eine schwache Helle verbreiteten.
    Die kostbaren Teppiche lagen zusammengerollt in einer Ecke. Die Sessel waren an die hintere Wand gerückt worden, und mehrere Koffer lagen in einem wirren Haufen auf dem Boden. Einer war leer. Ein anderer enthielt noch die Kleider des Toten, mit Mottenkugeln dazwischen.
    Vier Jahre waren seit Hendersons Tod vergangen. Er hatte ein großes Haus geführt. Von den Empfängen, die hier im großen Salon stattgefunden hatten, pflegten die Zeitungen spaltenlang zu berichten.
    Auf dem wuchtigen Kaminsims stand noch immer eine angebrochene Kiste Havannazigarren.
    Die Atmosphäre im ganzen Haus hatte etwas Erdrückendes an sich, das hier im Salon jedoch ganz besonders spürbar war.
    Als Madame Henderson Witwe wurde, war sie beinahe siebzig gewesen und zu kraftlos, um sich noch einmal aufzuraffen und ein neues Leben zu beginnen.
    Sie hatte sich in ihre Gemächer zurückgezogen und den Rest des Hauses seinem Schicksal überlassen.
    Wahrscheinlich waren die Hendersons ein glückliches Paar gewesen. Sicher hatten sie in der Pariser Gesellschaft wie auch in den meisten anderen Hauptstädten eine glanzvolle Rolle gespielt.
    Übrig geblieben war eine alte Frau, die sich mit ihrer Zofe in ihrer Villa verschanzte.
    Und dann war eines Nachts auch diese alte Frau …
    Maigret wanderte weiter, durch zwei andere Salons, durch einen Bankettsaal, erreichte den Fuß einer breiten Treppe mit Marmorstufen bis zum ersten Stock.
    Noch das kleinste Geräusch zog in einem dumpfen Hall durch das völlig verlassene Haus.
    Die Crosbys hatten nichts angerührt. Vielleicht waren sie seit dem Begräbnis ihrer Tante überhaupt nicht mehr hier gewesen.
    Sie hatten die Villa so vollständig vernachlässigt, daß Maigret auf dem Treppenläufer die Kerze wiederfand, die er bei seiner ersten Untersuchung angezündet hatte.
    Auf der obersten Treppenstufe hielt Maigret unvermittelt inne. Ein Unbehagen hatte ihn beschlichen, das er nicht gleich zu deuten vermochte. Er hielt den Atem an, horchte.
    Hatte er nicht soeben etwas gehört? Er war nicht sicher, aber sekundenlang hatte er das bestimmte Gefühl gehabt, daß er sich nicht allein im Haus befand.
    Ihm schien, daß sich irgendwo etwas regte. Mit einem Schulterzucken tat er den Eindruck ab. Doch als er die Tür vor sich aufstieß, blieb er stirnrunzelnd stehen und sog gierig die Luft ein.
    Ein Geruch von Tabak wehte ihm entgegen. Aber nicht von kaltem Tabak. Jemand hatte in diesen Räumen eben noch geraucht, rauchte vielleicht noch immer …
    Schnell trat er ins Zimmer, sah sich um. Er befand sich im Boudoir der Toten. Die Tür zum Schlafzimmer stand halb offen. Maigret trat über die Schwelle, doch da war niemand. Dagegen konnte er den Geruch jetzt deutlich wahrnehmen. Und zu allem Überfluß lag auf dem Boden ein Häuflein Zigarettenasche.
    »Wer ist da?«
    Er wünschte, er wäre nicht so aufgeregt gewesen, und er riß sich zusammen, doch es half nichts. Alles um ihn herum schien zu seiner Beklemmung beizutragen. Die Spuren des Gemetzels im Schlafzimmer waren nur notdürftig beseitigt worden. Ein Kleid, das Madame Henderson gehört haben mußte, lag noch auf dem Sofa. Die Jalousien ließen dünne Lichtstreifen ins Zimmer fallen.
    Und in diesem unwirklichen Dämmerlicht schien sich jemand zu bewegen.
    Denn ein Geräusch drang aus dem Badezimmer, ein Klirren wie von Metall. Maigret stürzte sich auf die Tür, sah niemanden, hörte jetzt deutlich Schritte auf der anderen Seite, wo eine Art Rumpelkammer lag.
    Seine Hand tastete unwillkürlich nach dem Revolver. Er warf sich auf die Verbindungstür, lief durch die Kammer und erblickte eine Hintertreppe.
    Hier war es heller, weil die Fenster zur Seine keine Jalousien hatten.
    Jemand bewegte sich mit leisen Schritten die Treppe hinauf. Wieder rief der Kommissar:
    »Wer ist da?«
    Seine Erregung wuchs. Sollte er in einem Moment, da er es am wenigsten erwartete, endlich die ganze Wahrheit erfahren?
    Er begann zu laufen. Oben fiel krachend eine Tür ins Schloß. Der Unbekannte flüchtete weiter, durchquerte wieder ein Zimmer, riß eine Tür auf, warf sie hinter sich zu.
    Und Maigret holte auf. Die Räume, die als Gästezimmer gedient hatten, lagen

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