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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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weniger zu behagen.
    »Ich weiß es nicht …«
    »Mit anderen Worten, er tut nichts … Hat er Vermögen? Gibt er viel Geld aus?«
    »Nein! Wir essen fast immer in einem prix-fixe , das Menü zu sechs Francs …«
    »Spricht er oft von seinem Vater?«
    »Er hat nur einmal von ihm gesprochen. Das habe ich eben schon erzählt.«
    »Würden Sie mir Rogers Besucher beschreiben? Haben Sie ihn schon vorher einmal gesehen?«
    »Nein! Ein Mann, der … wie soll ich ihn beschreiben? Ich habe ihn für einen Gerichtsvollzieher gehalten, und deshalb bin ich hier hereingekommen. Ich dachte, Roger hätte Schulden, und …«
    »Ist er gut angezogen?«
    »Warten Sie … Der steife Hut ist mir aufgefallen, ein heller Regenmantel, Handschuhe …«
    Zwischen den beiden Zimmern gab es eine Verbindungstür, die von einem Vorhang verdeckt wurde und wahrscheinlich zugenagelt war. Maigret hätte das Ohr daranlegen und alles mithören können, aber es widerstrebte ihm, das vor den beiden Frauen zu tun.
    Nine zog sich an und begnügte sich damit, sich statt der Morgenwäsche mit einem feuchten Handtuch über das Gesicht zu wischen. Sie war nervös. Ihre Bewegungen waren fahrig. Man merkte, daß sie den Ereignissen nicht gewachsen war, daß sie keinen Ausweg mehr sah und auch nicht mehr die Kraft aufbrachte, zu reagieren, ja nicht einmal, zu begreifen, was geschehen war.
    Die andere war ruhiger, vielleicht, weil sie noch unter dem Einfluß des Äthers stand, vielleicht aber auch, weil sie mehr Erfahrung mit solchen Situationen hatte.
    »Wie heißen Sie?«
    »Céline.«
    »Haben Sie einen Beruf?«
    »Ich war Friseuse. Ich kam zu den Kunden ins Haus.«
    »Bei der Sitte registriert?«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne empört zu sein. Nebenan hörte man immer noch Stimmengemurmel.
    Nine, die sich ein Kleid übergezogen hatte, betrachtete das Zimmer um sich herum, schluchzte plötzlich auf und stammelte:
    »Mein Gott, mein Gott!«
    »Das ist schon eine seltsame Geschichte!« sagte Céline langsam. »Und wenn es sich tatsächlich um ein Verbrechen handelt, werden wir eine Menge Ärger bekommen …«
    »Wo waren Sie gestern abend um acht?«
    Sie dachte nach.
    »Warten Sie … acht Uhr … richtig, ich war im Cyrano.«
    »War Roger dabei?«
    »Nein. Man kann schließlich nicht die ganze Zeit zusammen sein. Ich habe ihn um Mitternacht wiedergetroffen, im Bistro an der Rue Fontaine …«
    »Hat er Ihnen gesagt, woher er kam?«
    »Ich habe ihn nicht gefragt …«
    Durch das Fenster sah Maigret auf die Place Pigalle, auf das winzige Viereck des Parks, die Leuchtreklamen der Nachtbars. Unvermittelt stand er auf und ging zur Tür.
    »Sie beide warten hier auf mich!«
    Und er ging hinaus, klopfte an die Tür nebenan und öffnete sie, ohne zu warten. Ein Mann im Schlafanzug saß in dem einzigen Sessel, der sich im Zimmer befand. Trotz des offenen Fensters herrschte ein ekelhafter Äthergeruch. Ein anderer Mann ging gestikulierend auf und ab. Es war Monsieur Martin, dem Maigret am Abend zuvor zweimal begegnet war, im Hof an der Place des Vosges.
     
    »Sieh an, Sie haben Ihren Handschuh wiedergefunden!«
    Und Maigret betrachtete die beiden Hände des Registerbeamten, der so blaß wurde, daß der Kommissar einen Augenblick lang glaubte, er würde ohnmächtig werden. Seine Lippen zitterten. Er wollte etwas sagen, aber es gelang ihm nicht.
    »Ich … ich …«
    Der junge Mann war nicht rasiert. Er hatte einen Teint wie aus Pappmaché, und seine rot geränderten Augen und seine schlaffen Lippen zeugten von seiner Antriebslosigkeit. Er trank gierig Wasser aus einem Zahnputzbecher.
    »Beruhigen Sie sich, Monsieur Martin! Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie hier anzutreffen, vor allem nicht um diese Zeit … Müßten Sie denn nicht schon längst im Büro sein?«
    Er betrachtete den guten Mann vom Kopf bis zu den Füßen. Es fiel ihm schwer, kein Mitleid zu empfinden, so verwirrt war der Unglückliche.
    Von den Strümpfen bis zur Krawatte, die an einem Patentkragen aus Zelluloid befestigt war, verkörperte Monsieur Martin den Prototyp des Beamten, wie die Karikaturisten ihn zeichnen. Ein untadelig gekleideter und würdiger Beamter mit sorgfältig gewichstem Schnurrbart, ohne ein Stäubchen auf dem Anzug. Bestimmt hätte er sich entehrt gefühlt, wenn er mit bloßen Händen auf die Straße hätte gehen müssen.
    Jetzt wußte er nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte, und sein Blick suchte in dem unaufgeräumten Zimmer umher, als könnte er darin eine

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