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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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keinen Obersten …
    Doch! Es gab doch einen, der mit dieser Angelegenheit zu tun hatte: den Onkel von Madame Couchet! Was mochte er wollen?
    »Hallo? … Elysées 17-62? … Hier Kommissar Maigret von der Kriminalpolizei … Wie bitte? … Oberst Dormoy möchte mich sprechen? … Ja, ich bleibe am Apparat … Hallo? … Sind Sie es, Oberst? … Bitte? … Ein Testament? … Ich kann Sie sehr schlecht verstehen … Nein, im Gegenteil, sprechen Sie leiser! Und halten Sie den Hörer etwas weiter weg … So ist es besser. Also. Sie haben ein ungewöhnliches Testament gefunden? … Und nicht einmal versiegelt? … Einverstanden! Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen! … Nein, nicht nötig, ich brauche kein Taxi …«
    Und er zündete seine Pfeife an, schob seinen Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.
    7
    Die drei Frauen
    D
    er Oberst erwartet Sie im Schlafzimmer, Monsieur. Wenn Sie mir bitte folgen wollen …«
    Der Raum, in dem der Sarg mit den brennenden Kerzen gestanden hatte, war nun verschlossen. Im Nebenzimmer, das das Zimmer von Madame Couchet sein mußte, hörte man jemanden umhergehen. Das Hausmädchen stieß eine Tür auf, und Maigret sah den Obersten neben dem Tisch stehen, eine Hand leicht darauf gestützt, das Kinn hochgereckt, würdig und ruhig, als stünde er einem Bildhauer Modell.
    »Bitte nehmen Sie Platz!«
    Aber das verfing nicht bei Maigret, der sich nicht setzte, sondern nur seinen schweren Überzieher aufknöpfte, seinen steifen Hut auf einen Stuhl legte und sich eine Pfeife stopfte.
    »Haben Sie selbst dieses Testament gefunden?« fragte er, während er sich interessiert umblickte.
    »Ja, heute morgen. Meine Nichte weiß noch nichts davon. Ich muß schon sagen, es ist dermaßen empörend …«
    Ein seltsames Zimmer, typisch für Couchet! Gewiß, die Einrichtung bestand aus Stilmöbeln, wie in den übrigen Räumen der Wohnung. Auch einige wertvolle Stücke befanden sich darunter. Aber dazwischen waren auch Dinge, die den primitiven Geschmack des guten Mannes verrieten.
    Vor dem Fenster ein Tisch, der ihm mehr oder weniger als Schreibtisch gedient hatte. Darauf lagen türkische Zigaretten, aber auch eine ganze Reihe jener Pfeifen aus Wildkirschholz, die ein paar Sous kosten und die Couchet mit besonderer Vorliebe gepafft haben mußte, bis sie ganz schwarz waren.
    Ein purpurroter Morgenrock! Der auffälligste, den er hatte auftreiben können! Und am Fußende des Bettes ein Paar ausgetretene Pantoffeln.
    Der Tisch hatte eine Schublade.
    »Wie Sie sehen, war sie nicht abgeschlossen!« sagte der Oberst. »Ich weiß nicht einmal, ob es einen Schlüssel dazu gibt. Heute morgen brauchte meine Nichte Geld, um einen Lieferanten zu bezahlen, und ich wollte ihr die Mühe ersparen, einen Scheck auszuschreiben. Deshalb habe ich mich hier im Zimmer umgesehen. Und dabei ist mir das hier in die Hände gefallen …«
    Ein Briefumschlag mit dem Aufdruck des Grand-Hôtel. Dazu passendes, leicht blaugetöntes Papier mit dem gleichen Briefkopf.
    Flüchtig hingeworfene Zeilen, als ob jemand beiläufig ein paar Gedanken skizziert hätte.
     
    Mein Letzter Wille …
     
    Darunter der überraschende Satz:
     
    Da ich es wahrscheinlich versäumen werde, mich über die erbrechtlichen Vorschriften zu informieren, bitte ich meinen Notar, Maître Dampierre, nach besten Kräften dafür zu sorgen, daß mein Vermögen so gleichmäßig wie möglich aufgeteilt wird zwischen:
    1 . meiner Frau Germaine, geborene Dormoy;
    2 . meiner ersten Frau, jetzt Frau Martin, wohnhaft Pl a ce des Vosges Nr. 61 ;
    3 . Nine Moinard, wohnhaft Hotel Pigalle, Rue Pigalle.
     
    »Was halten Sie davon?«
    Maigret frohlockte. Dieses Testament machte ihm Couchet noch sympathischer.
    »Selbstverständlich«, fuhr der Oberst fort, »kann dieses Testament keinen Bestand haben. Es enthält jede Menge nichtiger Klauseln, und sobald die Beisetzung stattgefunden hat, werden wir es anfechten. Aber wenn ich es für richtig und dringlich erachtet habe, Sie zu benachrichtigen, so vor allem deshalb, weil …«
    Maigret lächelte immer noch, als wäre er Augenzeuge eines gelungenen Streichs geworden. Es paßte alles, bis hin zum Briefpapier des Grand-Hôtel! Wie viele Geschäftsleute, die kein Büro im Zentrum haben, hatte Couchet dort sicher manche seiner geschäftlichen Verabredungen. Und so hatte er sich wahrscheinlich, während er in der Halle oder im Rauchzimmer auf jemanden wartete, eine Schreibunterlage herangezogen und diese paar Zeilen

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