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Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Titel: Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Und sagen Sie mir bitte noch, wo ist die Rue du Pot-au-Noir?«
    »Hinter der Kirche. Sie mündet direkt in den Quai Sainte-Barbe.«
    Maigret hatte den Taxifahrer vor der Saint-Pholien-Kirche entlohnt und betrachtete nun die neue Kirche, die sich da inmitten eines weiten, etwas erhöhten Geländes erhob.
    Boulevards, eingefaßt von modernen Wohnblocks kaum älter als die Kirche selbst, erstreckten sich zur rechten wie zur linken Hand. Hinter der Kirche aber war ein Rest des alten Stadtviertels erhalten geblieben, das nur teilweise abgerissen worden war, um das Gotteshaus ringsherum zugänglich zu machen.
    Im Schaufenster eines Schreibwarengeschäfts entdeckte Maigret Postkarten mit dem Bild der alten Kirche, die niedriger, wuchtiger und altersschwarz gewesen war. Ein Flügel war mit einem Holzgerüst abgestützt. Geduckte, schäbige Häuser, auf drei Seiten bis dicht an die Mauern der Kirche herangebaut, verliehen dem Ganzen einen mittelalterlichen Charakter.
    Nur ein formloser Gebäudekomplex war übriggeblieben von diesem Elendsviertel; ihn durchzog ein Gewirr enger Sträßchen und Sackgassen, aus denen der widerliche Atem der Armut schlug.
    Die Rue du Pot-au-Noir war keine zwei Meter breit. Ein Rinnsal seifigen Wassers floß in ihrer Mitte, und Kinder spielten vor den Türen, durch die der Tumult wimmelnden Lebens ins Freie drang.
    Trotz der vom Himmel herabstrahlenden Sonne war es hier dunkel, denn ihre Strahlen vermochten nicht, bis in die Tiefen der Gasse hinabzudringen. Ein Böttcher hatte sein Kohlenbecken auf der Straße aufgestellt und bereifte Fässer.
    Die Hausnummern waren unleserlich; der Kommissar mußte sich nach der Nummer sieben erkundigen. Man wies ihm eine Sackgasse, aus der die Geräusche von Säge und Hobel tönten.
    An ihrem Ende fand er eine Werkstatt mit ein paar Tischlerbänken, einem Ofen, auf dem Leim kochte, und drei Männern, die bei weit offener Tür ihre Arbeit verrichteten.
    Einer von ihnen hob den Kopf, legte seinen erkalteten Zigarettenstummel beiseite und wartete darauf, daß der Besucher zu sprechen begann.
    »Hat hier nicht ein gewisser Klein gewohnt?«
    Der Mann sah seine Kollegen bedeutungsvoll an und zeigte mit dem Finger auf eine Tür, hinter der eine finstere Treppe lag.
    »Da oben! Es ist schon jemand da!« brummte er.
    »Ein neuer Mieter?«
    Erst später wurde dem Kommissar die Bedeutung des eigentümlichen Grinsens klar, das seine Frage hervorrief.
    »Sie werden schon sehen … Im ersten Stock! Verirren können Sie sich nicht, es gibt bloß eine Tür.«
    Ein Arbeiter an der Hobelbank lachte lautlos auf, während Maigret sich daran machte, die stockfinstere Treppe zu erklimmen. Nach den ersten Stufen schon fehlte das Geländer.
    Er ließ ein Streichholz aufflammen, entdeckte über sich eine Tür, die weder Schloß noch Griff besaß und nur mit Hilfe eines um einen rostigen Nagel geknüpften Bindfadens geschlossen werden konnte.
    Eine Hand an dem Revolver in seiner Tasche stieß er die Tür mit dem Knie auf und stand geblendet von dem Licht, das durch ein großes Dachfenster fiel, dem ein Drittel der Scheiben fehlte.
    Sekundenlang starrte Maigret – zu überrascht, um Einzelheiten wahrzunehmen – um sich, dann bemerkte er die Umrisse eines Mannes, der in einer Ecke des Raumes an der Wand lehnte und ihn mit zornigem Blick fixierte. Es war Joseph van Damme.
    »Wir mußten wohl schließlich hier landen, oder?« sagte der Kommissar.
    Und in dem allzu kahlen, leeren Raum hallte seine Stimme aufs Eigentümlichste wider.
    Van Damme gab keine Antwort, verharrte unbeweglich an seinem Platz, den Blick voller Gehässigkeit auf ihn gerichtet.
     
    Man hätte, um die Struktur dieser Räumlichkeiten zu begreifen, wissen müssen, ob ihre Mauern einst zu einem Kloster, einer Kaserne oder einem herrschaftlichen Wohnhaus gehört hatten.
    Vergeblich suchte man nach einem einzigen rechten Winkel. Die eine Hälfte des Fußbodens war mit Dielen bedeckt, während die andere mit ihren ungleichmäßig gelegten Steinplatten an eine alte Kapelle erinnerte.
    Die Wände waren weiß gekalkt bis auf ein Rechteck aus braunen Ziegelsteinen, wohl ehemals ein Fenster, das vermauert worden war. Durch das große Dachfenster sah man einen Giebel, eine Dachrinne und dahinter, in der Richtung, wo die Maas floß, lauter verschiedenartig geformte Dächer.
    Aber das war noch längst nicht das Ungewöhnlichste. Am merkwürdigsten mutete die Einrichtung des Raumes an, die in ihrer Uneinheitlichkeit an eine

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