Maigret und der geheimnisvolle Kapitän
Notieren Sie bitte …
Erstens: Nachprüfen, ob Madame Grandmaison … die Frau des Reeders, ja … ob sie wirklich mit dem Auto nach Paris gefahren ist.
Zweitens: Feststellen, ob ein Unbekannter im Büro oder im Haus der Grandmaisons aufgetaucht ist. Ja, das ist einfach! Ist aber noch nicht alles! Notieren Sie?
Drittens: Alle Autowerkstätten der Stadt aufsuchen. Wie viele gibt es? Um die zwanzig? Moment! … Interessant sind nur diejenigen, die Autos vermieten. Fangen Sie in der Umgebung des Bahnhofs an. Gut! … Fragen Sie nach jemand, der, mit oder ohne Chauffeur, ein Auto nach Paris gemietet oder vielleicht einen Gebrauchtwagen gekauft hat … Hallo! Warten Sie doch, verdammt! Wahrscheinlich hat dieser Jemand ein Fahrrad in Caen stehenlassen …
Ja, das ist alles. Haben Sie genügend Beamte, um alles gleichzeitig zu erledigen? … Gut, einverstanden … Sobald Sie auch nur die geringste Information haben, rufen Sie mich hier in der Seemannskneipe in Ouistreham an.«
Die Hafenleute, die in dem überheizten Raum ihren Aperitif tranken, hatten alles mitgehört, und als Maigret zurückkam, waren ihre Gesichter ernst, ja ängstlich.
»Glauben Sie, daß mein Fahrrad …« begann ein Schleusenarbeiter.
»Einen Grog!« bestellte Maigret in knappem Ton.
Das war nicht mehr der Mann, der an den vorangegangenen Tagen gutmütig lächelnd mit jedem getrunken hatte. Er sah sie kaum, schien sie kaum zu erkennen.
»Ist die ›Saint-Michel‹ noch nicht aus Caen zurück?«
»Sie ist uns für die Abendflut angekündigt. Aber das Wetter wird sie vielleicht am Auslaufen hindern.«
»Sturm?«
»Eine hübsche Brise wird es jedenfalls geben! Und der Wind dreht nach Norden, was nichts Gutes verheißt. Hören Sie es nicht?«
Wenn man die Ohren spitzt, vernahm man etwas wie ein Hämmern, derart schlugen die Wellen gegen die Pfähle der Mole; ein heftiger Wind rüttelte an der Kneipentür.
»Sollte zufällig jemand für mich anrufen, holen Sie mich bitte. Ich bin hundert Meter weiter oben auf der Straße.«
»Beim Haus des Bürgermeisters?«
Nur mit größter Mühe gelang es Maigret, sich draußen seine Pfeife anzuzünden. Die dicken Wolken, die tief am Himmel dahintrieben, schienen sich an die Wipfel der Pappeln zu klammern, die an der Straße standen. Noch aus fünf Metern Entfernung war es unmöglich, Lucas auf seiner Mauer ausfindig zu machen.
»Nichts Neues?«
»Sie spielen nicht mehr. Louis hat plötzlich mit einer überdrüssigen Geste das ganze Spiel durcheinandergeworfen.«
»Was tun sie?«
»Der Bürgermeister liegt halb aufgerichtet in seinem Sessel. Der andere raucht Zigarren und trinkt Grogs. Er hat schon ein Dutzend Zigarren gepafft und dabei gegrinst, als wollte er den anderen ärgern.«
»Wie viele Grogs?«
»Fünf oder sechs.«
Maigret konnte nichts außer dem schmalen hellen Spalt in der Fassade erkennen. Bauarbeiter kehrten von ihrer Arbeit zurück, fuhren mit ihren Fahrrädern auf das Dorf zu. Dann kam ein Pferdekarren. Der Bauer, der trotz der Dunkelheit sah, daß da Leute waren, gab seinem Pferd die Peitsche und drehte sich noch ein paarmal ängstlich um.
»Das Dienstmädchen?«
»Nicht mehr zu sehen. Sie wird in der Küche sein. Muß ich noch lange hier oben stehen? Wenn ja, täten Sie gut daran, mir noch ein paar Steine zu bringen, damit ich nicht dauernd auf den Zehenspitzen stehen muß.«
Maigret brachte die Steine. Das Meer begann immer lauter zu tosen. Die Wellen mußten jetzt bis zu zwei Meter hoch sein, wenn sie sich weiß schäumend am Strand brachen.
Unten am Hafen wurde eine Tür geöffnet und wieder geschlossen. Es war die Kneipentür. Eine Gestalt tauchte auf, und jemand versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Maigret trat vor.
»Ach, da sind Sie ja! Sie werden am Telefon verlangt.«
Caen meldete sich bereits.
»Hallo! Kommissar Maigret? Wie haben Sie das erraten? Madame Grandmaison ist heute auf der Fahrt von Ouistreham nach Paris durch Caen gekommen. Ihre Tochter hat sie zu Hause beim Kindermädchen abgesetzt. Zur Mittagszeit fuhr sie dann mit dem Wagen weiter … Was den Unbekannten betrifft, hatten Sie recht. Wir brauchten nur eine einzige Werkstatt aufzusuchen, die gegenüber dem Bahnhof … Der Mann war auf dem Fahrrad gekommen. Wollte einen Wagen ohne Chauffeur mieten. Man hat ihm geantwortet, daß sich die Firma auf diese Art von Geschäften nicht einlasse … Der Mann schien nervös. Er fragte, ob er wenigstens ein Auto kaufen könnte, ein schnelles und wenn
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