Maigret und der gelbe Hund
seine Schulden zu bezahlen.«
» Jean Servières (Pseudonym von Jean Goyard). Geboren im Departement Morbihan. Lange Zeit Journalist in Paris. Generalsekretär bei kleinen Theatern usw. Hat eine bescheidene Erbschaft gemacht und sich in Concarneau niedergelassen. Hat eine ehemalige Arbeiterin geheiratet, die fünfzehn Jahre lang seine Geliebte war. Bürgerlicher Lebenswandel. Einige Eskapaden in Brest und Nantes. Lebt eher von kleinen Renten als von seinem Journalismus, auf den er sehr stolz ist. Akademische Auszeichnung.«
»Ich begreife nicht!« stammelte der Inspektor. »Allerdings! Geben Sie mir Ihre Notizen.«
»Aber … Wer hat Ihnen gesagt, daß ich …?«
»Her damit …«
Das Notizbuch des Kommissars war ein Büchlein zu zehn Sous mit kariertem Papier und einem Umschlag aus Wachstuch. Das von Inspektor Leroy war eine Agenda mit herausnehmbaren Seiten in Stahlringen.
Mit väterlichem Ausdruck las Maigret:
»1. Fall Mostaguen . Die Kugel, die den Weinhändler getroffen hat, war sicher für einen andern bestimmt. Da man nicht voraussehen konnte, daß jemand am Eingang haltmachen würde, hatte man sich wohl mit dem eigentlichen Opfer an dieser Stelle verabredet, das nicht oder das zu spät gekommen ist .
Es sei denn, man hätte es darauf abgesehen, die Bevölkerung zu terrorisieren. Der Mörder kennt Concarneau wie seine Westentasche. (Zigarettenasche nicht analysiert, die im Flur gefunden wurde.)
2. Fall des vergifteten Pernod . Im Winter ist das Café des Hôtel de l’Amiral fast den ganzen Tag über menschenleer. Ein Mann, der darüber Bescheid wußte, ist eingetreten und hat Gift in die Flaschen streuen können. In zwei Flaschen. Man hatte es also ausschließlich auf die Pernod- und Calvadostrinker abgesehen. (Erwähnenswert ist, daß der Doktor die weißen Pulverkörnchen, die auf der Flüssigkeit schwammen, rechtzeitig und ohne Mühe bemerkt hat.)
3. Der gelbe Hund . Das Tier kennt das Café des Hôtel de l’Amiral. Es hat einen Herrn. Aber wen? Scheint mindestens fünf Jahre alt zu sein.
4. Fall Servières . Durch Schriftenanalyse herausfinden, wer den Artikel an den Phare de Brest eingesandt hat.«
Maigret lächelte, gab seinem Kollegen den Terminkalender zurück und bemerkte:
»Sehr gut, Junge …«
Dann warf er einen mürrischen Blick hinüber zu den Silhouetten der Neugierigen, die immer wieder durch die grünen Scheiben hindurch zu sehen waren, und fügte hinzu:
»Gehen wir essen!«
Eine Weile später, als sie mit dem Vertreter, der am Morgen angekommen war, allein im Speisesaal saßen, kam Emma und sagte, Doktor Michoux, dessen Zustand sich verschlimmert habe, hätte darum gebeten, ihm eine leichte Mahlzeit auf sein Zimmer zu servieren. Am Nachmittag glich das Café des Hotels mit seinen kleinen, graugrünen Scheiben einem Glashaus im Botanischen Garten, vor dem die Schaulustigen im Sonntagsstaat vorbeidefilierten. Und anschließend sah man sie den Weg zum hinteren Teil des Hafens einschlagen, wo der Wagen von Servières eine zweite Attraktion bildete, die von zwei Polizisten bewacht wurde.
Dreimal rief der Bürgermeister aus seiner prächtigen Villa von Sables Blancs an.
»Haben Sie jemanden verhaftet?«
Maigret bemühte sich kaum um eine Antwort. Dann stürmte die Jugend von achtzehn bis fünfundzwanzig das Café. Lärmende Gruppen, die von einem Tisch Besitz ergriffen und Getränke bestellten, die nicht angerührt wurden.
Sie waren noch keine fünf Minuten im Café, als die Antworten immer seltener wurden, das Gelächter erstarb und der Bluff der Verlegenheit wich. Und einer nach dem anderen ging hinaus.
Der Unterschied war noch spürbarer, als man die Lampen einschalten mußte. Es war vier Uhr. Sonst waren dann noch eine Menge Leute auf der Straße.
An diesem Tag war alles menschenleer, und es herrschte Totenstille. Man hätte meinen können, daß sich alle Spaziergänger miteinander abgesprochen hätten. In weniger als einer Viertelstunde leerten sich die Straßen, und wenn Schritte widerhallten, so waren es die eiligen Schritte eines ängstlichen Passanten, der sich nach Hause in Sicherheit bringen wollte.
Emma hatte sich mit dem Ellbogen auf die Kasse gestützt. Der Wirt ging von seiner Küche zum Café, wo Maigret seine Klagen hartnäckig überhörte.
Ernest Michoux kam gegen halb fünf herunter, noch immer in Hausschuhen. Er war unrasiert. Sein cremefarbenes seidenes Foulard war schweißdurchnäßt.
»Sie hier, Kommissar?«
Das schien ihn zu
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