Maigret und der gelbe Hund
Lächerliches haben können. Durch die Magie der Beklemmung, die seit dem Morgen nicht aufgehört hatte sich zu verdichten, bekam es etwas Beeindruckendes. Der Karren, der von einem Alten geschoben wurde, hüpfte über das Kopfsteinpflaster, entlang der Straße mit den zahlreichen Windungen, über die Zugbrücke, und niemand wagte es, sich ihm anzuschließen. Der gelbe Hund atmete schwer, zuckte krampfhaft mit allen Vieren gleichzeitig.
Maigret bemerkte einen Wagen, den er noch nie vor dem Hôtel de l’Amiral gesehen hatte. Als er die Tür zum Café aufstieß, stellte er fest, daß sich die Atmosphäre verändert hatte.
Ein Mann rempelte ihn an, sah den Hund, der aufgehoben wurde, richtete seine Kamera auf ihn und ließ sein Blitzlicht aufleuchten. Ein anderer, in Golfhosen, rotem Pullover, ein Heft in der Hand, fuhr mit seiner Hand an die Mütze.
»Kommissar Maigret? … Vasco, von der Zeitung Journal … Ich bin gerade eingetroffen und habe schon das Glück gehabt, mit Monsieur …«
Er deutete auf Michoux, der in einer Ecke saß, angelehnt an die Bank aus Kunstleder.
»Der Wagen der Zeitung Petit Parisien blieb hinter uns … Sie hatten eine Panne zehn Kilometer von hier …«
Emma fragte den Kommissar:
»Wohin soll er gelegt werden?«
»Ist kein Platz für ihn im Haus?«
»Doch … beim Hof … Ein Verschlag, wo die leeren Flaschen gestapelt werden.«
»Leroy! Rufen Sie einen Tierarzt.«
Noch vor einer Stunde hatte eine Leere, eine Stille voller Zurückhaltung geherrscht. Und nun brachte der Fotograf in seinem fast weißen Trenchcoat Tische und Stühle durcheinander und rief:
»Einen Moment … Nicht bewegen, bitte … Drehen Sie den Kopf des Hundes nach hier …«
Und es blitzte.
»Wo ist Le Pommeret?« fragte Maigret und wandte sich dabei an den Arzt.
»Er ist kurz nach Ihnen gegangen … Der Bürgermeister hat wieder angerufen … Ich denke, er wird kommen …«
Um neun Uhr abends ging es zu wie in einem Hauptquartier. Zwei weitere Reporter waren eingetroffen. Der eine verfaßte seinen Artikel an einem Tisch im Hintergrund. Hin und wieder kam ein Fotograf aus seinem Zimmer herunter.
»Haben Sie keinen neunzigprozentigen Alkohol? Ich brauche unbedingt welchen, um meine Filme zu trocknen … Der Hund ist Klasse! … Sagten Sie, nebenan sei eine Apotheke? … Geschlossen? … Nun …«
Im Flur, wo sich das Telefon befand, diktierte ein Journalist seinen Text mit gleichgültiger Stimme:
»Maigret, ja … M wie Maurice … A wie Arthur … Ja … I wie Isidore … Schreiben Sie gleich alle Namen auf … Michoux … M … I … choux, wie chou … Wie chou de Bruxelles … Aber nein, nicht wie pou. Moment … Ich gebe Ihnen die Überschriften … Kommt das auf die Titelseite? … Doch! … Sagen Sie dem Chef, daß das unbedingt auf die erste Seite muß …«
Verwirrt suchte Inspektor Leroy Maigret fortwährend mit seinen Blicken, wie wenn er sich an ihn klammern wollte. In einer Ecke bereitete der einzige Vertreter seine morgendlichen Geschäftsbesuche mit Hilfe des lokalen Firmenverzeichnisses vor. Ab und zu rief er Emma.
»Chauffier … Ist das eine große Eisenwarenhandlung? Danke …«
Der Tierarzt hatte die Kugel entfernt und die Hinterhand des Hundes mit einem steifen Verband umwickelt.
»So ein Vieh, das hat ein unheimlich zähes Leben!«
In dem Abstellraum, dessen Boden mit grauen Granitplatten belegt war und der sich zum Hof wie zur Kellertreppe öffnete, hatte man auf Stroh eine alte Decke ausgebreitet. Dort lag der Hund, ganz allein, zehn Zentimeter von einem Bissen Fleisch entfernt, den er nicht anrührte.
Der Bürgermeister war gekommen, mit dem Wagen. Ein alter Mann mit weißem Kinnbart, sehr gepflegt, mit schroffen Gesten. Er hatte die Stirn gerunzelt, als er in diese Wachstubenatmosphäre eindrang oder vielmehr in diese Atmosphäre eines Kompaniegefechtsstandes.
»Wer sind diese Herren?«
»Journalisten aus Paris.«
Der Bürgermeister war auf hundert.
»Prächtig! Dann wird also morgen in ganz Frankreich von dieser blöden Geschichte geredet! Sie haben noch immer nichts herausgefunden?«
»Die Ermittlungen gehen weiter!« brummte Maigret im gleichen Ton, wie wenn er erklärt hätte: »Das geht Sie nichts an!«
Denn es lag Gereiztheit in der Luft. Jeder hatte die Nerven bloß liegen.
»Und Sie, Michoux, gehen Sie nicht nach Hause?«
Der Blick des Bürgermeisters war voller Verachtung und bezichtigte den Arzt der Feigheit.
»Wenn das so weitergeht, dann herrscht
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