Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
für unsere Runde im Café des Hôtel de l’Amiral keine Sympathie hegten. Man hat Ihnen erzählt, daß ich mich mit dem Verkauf von Grundstücken beschäftige – als Sohn eines ehemaligen Abgeordneten, als Doktor der Medizin … Und diese Abende um einen Tisch eines Cafés herum, zusammen mit den anderen Versagern.
    Aber was hätte ich machen können? Meine Eltern gaben viel Geld aus, obwohl sie nicht reich waren. Das ist in Paris keine Seltenheit. Ich bin im Luxus aufgewachsen, in den großen Thermalbädern … Dann stirbt mein Vater, und meine Mutter beginnt an der Börse zu spekulieren, zu intrigieren, noch immer die Dame von Welt wie zuvor, noch immer genauso stolz, jedoch bedrängt von Gläubigern.
    Ich habe ihr geholfen! Das war alles, wozu ich in der Lage war! Diese Baugrundstücke, nichts Großartiges. Und dieses Leben hier … Die Notabeln! Aber mit etwas Unsolidem …
    Seit drei Tagen schon beobachten Sie mich, und ich habe Lust, mit Ihnen ein offenes Wort zu reden … Ich bin verheiratet gewesen. Meine Frau hat die Scheidung eingereicht, weil sie einen Mann wollte, der höher hinaus wollte als ich.
    Eine Niere weniger … Drei oder vier Tage in der Woche schleppe ich mich krank und schlapp von meinem Bett zu einem Sessel.«
    Erschöpft setzte er sich.
    »Emma wird Ihnen erzählt haben, daß ich ihr Geliebter war … blöd, nicht wahr? Doch hin und wieder braucht man eine Frau. So etwas erklärt man nicht jedem …
    Im Café des Hotels wäre ich zu guter Letzt vielleicht noch übergeschnappt – der gelbe Hund, Servières verschwunden, die Blutflecken in seinem Wagen … Und vor allem dieser häßliche Tod von Le Pommeret.
    Weswegen er? Weswegen nicht ich? Zwei Stunden zuvor saßen wir zusammen am selben Tisch, vor denselben Gläsern. Und ich hatte das dunkle Gefühl, daß ich an der Reihe wäre, wenn ich das Haus verließe. Dann habe ich gespürt, wie der Kreis enger wurde, daß ich selbst im Hotel, selbst eingeschlossen in meinem Zimmer, der Gefahr ausgesetzt war.
    Freude durchfuhr mich, als ich sah, wie Sie meinen Haftbefehl unterschrieben haben … Und doch …«
    Er blickte auf die Wände rings um ihn, auf das Fenster mit den drei Gitterstäben, das zum Hof hinaus lag.
    »Ich muß meine Pritsche in diese Ecke rücken … Wieso, ja, wieso hat man mir vor fünf Jahren etwas von einem gelben Hund erzählen können, wo doch dieser Hund da bestimmt noch nie geboren war? Ich habe Angst, Kommissar! Ich sage es Ihnen ins Gesicht, daß ich Angst habe! Es ist mir gleich, was die Leute denken werden, wenn sie erfahren, daß ich im Gefängnis sitze. Sterben, das will ich nicht! Und irgend jemand lauert mir auf, irgend jemand, den ich nicht kenne, der Le Pommeret umgebracht hat, der mit Sicherheit Goyard umgebracht hat, der auf Mostaguen geschossen hat … Weswegen? Sagen Sie es mir! Weswegen? Womöglich ein Wahnsinniger … Und man hat ihn noch nicht zur Strecke bringen können! Er ist auf freiem Fuß! Er schleicht vielleicht um uns herum. Er weiß, daß ich hier bin. Er wird herkommen mit seinem entsetzlichen Hund, der den Blick eines Menschen hat …«
    Maigret erhob sich langsam, klopfte seine Pfeife gegen seinen Absatz. Und der Doktor wiederholte mit jämmerlicher Stimme:
    »Ich weiß, daß ich Ihnen wie ein Feigling vorkomme … Aber glauben Sie mir! Ich bin sicher, daß ich heute nacht wegen meiner Niere Höllenqualen ausstehen werde.«
    Maigret stand da wie das Gegenstück des Häftlings, der Erregung, des Fiebers, der Krankheit, wie das Gegenstück dieser krankhaften und widerwärtigen Angst.
    »Soll ich Ihnen einen Arzt kommen lassen?«
    »Nein! Wenn ich wüßte, daß jemand käme, so hätte ich noch größere Angst. Ich würde mich darauf gefaßt machen, daß er käme, der Mann mit dem Hund, der Wahnsinnige, der Mörder.«
    Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mit den Zähnen geklappert.
    »Meinen Sie, daß Sie ihn festnehmen oder wie ein tollwütiges Tier zur Strecke bringen werden? Denn er ist tollwütig! Man tötet nicht einfach so, ohne Grund …«
    Noch ein paar Minuten, und der Nervenzusammenbruch wäre da. Maigret zog es vor zu gehen, während der Häftling ihm mit den Blicken folgte, den Kopf zwischen den Schultern eingezogen, die Lider gerötet.
     
    »Haben Sie mich verstanden, Wachtmeister? Niemand außer Ihnen betritt seine Zelle, und Sie bringen ihm höchstpersönlich das Essen und alles, was er möchte. Aber nichts herumliegen lassen, was er als Waffe verwenden könnte, um

Weitere Kostenlose Bücher