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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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abwarten, bis ich das meiste zurückgezahlt hätte, um dann Emma zu heiraten. Da kam ein Journalist zu mir, den ich kannte, weil er öfters im Hafen herumschnüffelte.«
    Zur allgemeinen Verblüffung nahm Ernest Michoux die Hände vom Gesicht, das bleich, jedoch unendlich viel ruhiger war, als man annahm. Und er zog ein Heft und einen Bleistift aus seiner Tasche, notierte ein paar Worte.
    »War es Jean Servières, der Ihnen eine Kokainladung angeboten hat?«
    »Nicht sofort! Von einem Geschäft hat er mir erzählt. Er hat sich mit mir in einem Café in Brest verabredet, wo er sich mit zwei anderen befand.«
    »Doktor Michoux und Monsieur Le Pommeret?«
    »Ganz genau!«
    Michoux machte sich weitere Notizen, und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Verachtung. Einmal brachte er es sogar fertig, ein ironisches Lächeln anzudeuten.
    »Wer von den dreien hat Ihnen das Geschäft übertragen?«
    Der Arzt wartete mit angehobenem Bleistift.
    »Niemand von den dreien … Oder vielmehr, sie haben mir bloß von der Stange Geld erzählt, die in ein oder zwei Monaten zu verdienen wäre. Eine Stunde danach ist ein Amerikaner gekommen. Ich habe nie erfahren, wie er hieß. Ich habe ihn bloß zweimal gesehen. Auf jeden Fall ein Mann, der die See kannte, denn er hat mich nach den Merkmalen meines Schiffs gefragt, nach der Zahl der Leute, die ich an Bord haben müsse, und wie lange es dauern würde, einen Hilfsmotor anzubauen. Ich glaubte, es ginge um Schmuggel mit Alkohol. Jeder machte es, sogar Offiziere von Passagierdampfern. Die Woche darauf kamen Arbeiter und installierten einen Halb-Dieselmotor auf der ›Belle-Emma‹.«
    Er sprach langsam, mit starrem Blick, und es war beeindruckend, wie seine dicken Finger sich bewegten, deren Gesten, die so langsam wie Verkrampfungen waren, mehr aussagten als sein Gesicht.
    »Man hat mir eine englische Karte mitgegeben, auf der alle Winde des Atlantiks und die Route der Segelschiffe eingetragen waren, denn ich hatte die Überfahrt noch nie gemacht. Vorsichtshalber habe ich nur zwei Mann mitgenommen, und ich habe niemandem etwas von dem Geschäft erzählt, außer Emma, die in der Nacht des Auslaufens auf der Mole stand. Auch die drei Männer standen da, bei einem Wagen, dessen Scheinwerfer ausgeschaltet waren. Die Verladung hatte am Nachmittag stattgefunden. Und in diesem Moment habe ich Schiß bekommen. Nicht so sehr wegen des Schmuggels! Aber ich bin so gut wie nicht zur Schule gegangen. Solange ich den Kompaß und das Lot verwenden kann, geht es. Ich fürchte mich vor niemandem. Aber da draußen auf hoher See … Ein alter Kapitän hatte versucht, mir beizubringen, wie man mit dem Sextanten umgeht, um den Standort zu ermitteln. Ich hatte mir eine Logarithmentafel gekauft und alles, was dazugehört. Aber ich war sicher, daß ich mich in den Berechnungen verheddern würde. Wenn ich aber Erfolg hätte, dann wäre das Schiff bezahlt, und es würden mir noch runde zwanzigtausend Francs in der Tasche bleiben … Es war fürchterlich windig in jener Nacht. Der Wagen und die drei Männer gerieten außer Sicht. Dann auch Emma, deren Silhouette sich schwarz vom Ende der Mole abhob. Zwei Monate auf See …«
    Michoux machte noch immer Notizen, vermied aber, den Mann anzusehen, der erzählte.
    »Für das Löschen hatte ich Anweisungen. Endlich kamen wir, Gott weiß wie, in dem kleinen Hafen an, der uns angegeben war. Wir hatten noch nicht einmal die Taue an Land geworfen, als auch schon drei Polizeiboote mit Maschinengewehren uns umzingelten und Männer, mit Gewehren bewaffnet, auf die Brücke sprangen, auf uns anlegten, wobei sie uns etwas auf Englisch zuriefen und uns Kolbenstöße versetzten, bis wir die Hände hochhielten.
    Wir haben uns keinen Reim drauf machen können, so schnell war es passiert … Ich weiß nicht, wer mein Schiff zum Quai gesteuert hat, noch, wie man uns in einen Polizeiwagen gesteckt hat. Eine Stunde danach war jeder von uns in einem Eisenkäfig eingesperrt, im Gefängnis Sing-Sing.
    Wir waren krank davon. Niemand sprach Französisch. Die Häftlinge verspotteten oder beschimpften uns.
    Da unten geht so etwas sehr schnell … Am Morgen darauf wurden wir vor eine Art Gericht gestellt, und der Rechtsanwalt, der uns anscheinend verteidigte, hat noch nicht einmal das Wort an uns gerichtet!
    Erst danach wurde mir erklärt, daß ich zu zwei Jahren Zwangsarbeit und zu hunderttausend Dollar Geldstrafe verurteilt sei, daß mein Boot beschlagnahmt sei und so. Ich begriff nicht.

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