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Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Augenblick … Wo ist Ihr Beamter? … «
    Dieser näherte sich gerade, unsicher, ob er seinen Chef ansprechen sollte oder so tun, als kenne er ihn nicht.
    »Komm her, Girard! Wie steht’s?«
    »Vor fünf Minuten hat jemand das Haus betreten. Ich habe im Zimmer einen Lichtschimmer gesehen, als gi n ge dort jemand mit einer Taschenlampe umher … «
    »Gehen wir!« sagte Maigret.
    »Da hinauf?«
    »Wohin sonst? … «
    Um die Eingangstür zu öffnen, brauchten sie nur den Türknopf zu drehen, denn in belgischen Häusern gibt es keine Concierges.
    Das Treppenhaus war nicht erleuchtet. Aus Adèles Zimmer drang keinerlei Licht. Hingegen hörte Maigret, sowie er die Tür anstieß, die gleich nachgab, gedämpfte Geräusche, als kämpften zwei Männer auf dem Fußb o den.
    Kommissar Delvigne hatte bereits seinen Revolver aus der Tasche gezogen, und Maigret tastete automatisch die Wand zu seiner Linken ab, fand einen Schalter und drehte das Licht an.
    Die Szene, die sich darbot, war ebenso komisch wie tragisch.
    Zwei Männer waren da tatsächlich in heftigem Kampf verstrickt. Doch das Licht überraschte sie z u gleich wie die Geräusche, und sie hielten inne, noch a n einander geklammert. Eine Hand hielt eine Kehle g e packt. Graue Haare waren in wirrer Unordnung.
    »Keine Bewegung!« befahl Kommissar Delvigne. »Hä n de hoch!«
    Er schloß die Tür hinter sich, ohne den Revolver zu senken. Und Maigret nahm mit erleichtertem Seufzer seinen Schal ab, öffnete den Mantel und atmete tief durch, wie einer, dem recht heiß gewesen war.
    »Wird’s bald! … Hoch mit den Händen!«
    René Delfosse fiel um, weil er aufstehen wollte und sein rechtes Bein unter jenem von Victor eingeklemmt war.
    Der Blick von Kommissar Delvigne schien um Rat zu bitten. Delfosse und der Kellner hatten sich inzwischen aufgerichtet, bleich, betreten, die Kleider durcheinander.
    Von den beiden war der junge Mann wesentlich e r regter und mitgenommener, und er schien überhaupt nicht zu begreifen, was ihm geschah. Mehr noch, er starrte Victor fassungslos an, als hätte er nie erwartet, ihm da zu begegnen.
    Mit wem meinte er wohl zu kämpfen?
    »Keine Bewegung mehr!« sagte Maigret, der endlich den Mund aufmachte. »Ist die Tür abgeschlossen, Ko m missar?«
    Er trat zu dem Kollegen, flüsterte ihm ein paar Worte zu. Und Monsieur Delvigne winkte durchs Fenster Inspe k tor Girard herauf, ging ihm zum Treppenabsatz en t gegen.
    »Nimm so viele Männer, wie du finden kannst, riegle das ›Gai-Moulin‹ ab. Niemand darf raus! Laß aber jeden rein, der will … «
    Er ging zurück in das Zimmer, wo auf dem Bett ein weißer Überwurf an Schlagsahne denken ließ.
    Victor muckste sich noch immer nicht. Er hatte einen richtigen Kellnerkopf wie Karikaturisten ihn gerne darste l len: spärliche Haare, gewöhnlich über eine kahle Stelle fr i siert, nun aber zerzaust, teigige Züge, verklebte Augen.
    Er hielt die Schultern schief, als wollte er möglichst wenig Angriffsfläche bieten, und es war schwer zu en t scheiden, wohin seine unsteten Augen blickten.
    »Ihre erste Verhaftung ist das nicht, was?« bellte Ma i gret und schien seiner Sache sehr sicher zu sein.
    Er konnte es sein. So etwas sah er auf den ersten Blick. Man spürte den Menschen, der seit langem darauf gefaßt ist, sich der Polizei gegenüber zu sehen, und der solche Begegnungen gewöhnt ist.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Adèle hat mich gebeten, Ihr etwas zu holen … «
    »Zweifellos ihren Lippenstift?«
    » … Ich habe ein Geräusch gehört. Jemand ist h e reingekommen … «
    »Und Sie haben sich auf ihn gestürzt! Mit anderen Worten, Sie haben den Lippenstift im Dunklen gesucht. Achtung! Die Hände hübsch oben lassen, gefälligst … «
    Den beiden Männern wurden die Arme allmählich schwer, die sie zur Decke streckten. Delfosses Hände zi t terten. Er versuchte sich das Gesicht an einem Ärmel a b zuwischen, ohne daß er es wagte, einen Arm zu se n ken.
    »Und Sie, was wollte Adèle von Ihnen hier geholt h a ben?«
    Die Zähne des Burschen schlugen aufeinander, doch er wußte nichts zu antworten.
    »Behalten Sie sie im Auge, Delvigne?«
    Und Maigret ging im Zimmer umher. Auf dem Nachttisch fanden sich die Reste eines Koteletts, Bro t krümel, ein Glas und eine angebrochene Flasche Bier. Er bückte sich, um unter das Bett zu sehen, zuckte die Ac h seln, öffnete den Wandschrank, der nur Kleider, Wäsche und alte Schuhe mit abgetretenen Absätzen enthielt.
    Dann bemerkte er einen

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