Maigret und der Spion
einmal in den Kopf gesetzt. Der Agent, an den er sich wendet, kann von sich aus ein Angebot nicht ausschl a gen, das immerhin in Frage kommen mag.
Unbekannt ist gewöhnlich, daß man zunächst einmal nur Probeaufträge bekommt … Der Mann ist intell i gent, vermögend, er reist viel … Aber vor allem gilt es herauszufinden, ob er kaltblütig und diskret sein kann …
Man gibt ihm einen ersten Auftrag: Er soll nach Lü t tich fahren und in einem Nachtklub Dokumente ste h len …
Damit will man seine Nervenstärke prüfen. Der Au f trag ist nicht echt. Man schickt ihn einfach zu anderen Agenten des gleichen Geheimdiensts, die sich von den Fähigkeiten unseres Kunden überzeugen sollen …
Und Graphopulos ist bestürzt! So hat er sich Spionage nicht vorgestellt! Er hat sich in Luxushotels, im G e spräch mit Botschaftern, als Gast an den kleinen Fü r stenhöfen Europas gesehen …
Er wagt nicht abzulehnen. Aber er bittet die Polizei, ihn zu überwachen. Dann unterrichtet er seinen Chef, daß man ihn beschatte …
›Ein Inspektor ist mir ständig auf den Fersen! Ich nehme an, daß ich unter diesen Umständen nicht nach Lüttich muß …‹
›Fahren Sie trotzdem hin!‹
Und nun verliert er den Kopf! Er versucht, sich der von ihm selbst verlangten Überwachung zu entziehen. Er bucht einen Flug nach London, nimmt eine Fahrka r te nach Berlin, steigt an der Gare des Guillemins in Lü t tich aus …
Das ›Gai-Moulin‹ … Da soll er seinen Auftrag erled i gen … Er weiß nicht, daß der Patron zum selben Verein gehört, daß er eingeweiht ist, daß es sich bloß um einen Probeeinsatz handelt und daß sich zu allem Überfluß nicht ein Dokument in dem Lokal befindet, das man stehlen könnte.
Eine Tänzerin setzt sich an seinen Tisch … Er lädt sie für den Rest der Nacht in sein Zimmer ein, denn er ist vor allem ein Lebemann. Wie so oft steigert auch hier die Gefahr die Sinnlichkeit … Und dann ist er weni g stens nicht allein! … Als Vorschuß überläßt er ihr sein Zigarettenetui, das sie bewundert.
Er beobachtet die Leute. Er weiß sich nicht zu helfen. Oder vielmehr, er weiß nur eines: Daß er es fertigbri n gen muß, sich in dem Lokal einschließen zu lassen und die Dokumente zu suchen, die man von ihm verlangt …
Génaro, der eingeweiht ist, beobachtet ihn amüsiert. Victor, der dazugehört, ist übertrieben ehrbietig und süffisant, als er den bestellten Champagner serviert.
Jemand hat zufällig die Adresse erlauscht, die er Adèle genannt hat:
›Hôtel Moderne‹, Zimmer 18 …
Und jetzt müssen wir uns einer anderen Geschichte zuwenden. «
Maigret sah Monsieur Delfosse an, ihn allein.
»Ich nehme an, Sie entschuldigen, daß ich auf Sie zu sprechen komme. Sie sind reich. Sie haben eine Frau, einen Sohn und ein paar Mätressen. Sie leben auf gr o ßem Fuß, ohne zu ahnen, daß der Junge, kränklich, übernervös, versucht, es Ihnen in seinem beschränkten Kreis gleichzutun.
Er sieht, wie rings um ihn Geld mit vollen Händen ausgegeben wird. Sie geben ihm welches, zuviel und gleichzeitig zu wenig.
Seit Jahren bestiehlt er Sie und überdies auch seinen Onkel!
In Ihrer Abwesenheit fährt er in Ihrem Auto herum. Er hat Mätressen wie Sie. Kurz, er ist im wahrsten Sinn ein mißratener Sohn aus reichem Haus.
Nein, protestieren Sie bloß nicht … Warten Sie …
Er braucht einen Freund, einen Vertrauten … Er bringt Chabot auf die gleiche Bahn … Eines Tages stecken sie in der Klemme … Sie haben überall Schu l den … Und sie beschließen, die Kasse des ›Gai-Moulin‹ zu plündern …
Es ist der Abend, an dem Graphopulos da ist … De l fosse und Chabot verstecken sich auf der Kellertreppe, während man annimmt, sie seien gegangen … Weiß Génaro Bescheid? … Es spielt keine Rolle, aber ich b e zweifle es!
Was ihn angeht, so ist er der Typ des guten Gehei m agenten. Er führt ein Nachtlokal. Er besitzt einen G e werbeschein, wie er vorhin angab. Er hat Unteragenten, die für ihn arbeiten! Er fühlt sich umso sicherer, als er der Polizei als Spitzel dient …
Und er weiß, daß Graphopulos sich im Lokal ve r stecken wird. Er schließt die Türen, geht mit Victor fort. Am nächsten Tag wird er lediglich einen Bericht an se i ne Chefs aufsetzen und ihnen mitteilen müssen, wie der Grieche seine Sache gemacht hat …
Sie sehen, das alles ist ziemlich kompliziert … Man könnte jene Nacht als Nacht der Übertölpelten bezeic h nen.
Graphopulos hat sich mit Champagner Mut angetru
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