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Maigret und der Treidler der Providence

Maigret und der Treidler der Providence

Titel: Maigret und der Treidler der Providence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Tisch nahm, suchte nach einem Siphon und runzelte die Stirn wie jemand, der todunglücklich ist, weil man alle seine Gewohnheiten über den Haufen geworfen hat.
    Wladimir kam aus dem Waschraum mit einem Anzug aus schwarzem Tweed zurück, und eine Geste seines Herrn wies ihn an, Maigret die Jacke zu geben.
    »Hatten Sie das Abzeichen des Y.C.F. üblicherweise an dieser Jacke?«
    »Ja … Ist das immer noch nicht vorbei da drüben? Liegt Willy noch immer auf dem Fußboden?«
    Er hatte sein Glas im Stehen geleert, mit kleinen Schlucken, und er zögerte, sich erneut einzuschenken.
    Er warf einen Blick aus dem Bullauge, sah ein Paar Beine davor stehen und stieß ein undeutliches Murren aus.
    »Würden Sie mir einen Moment zuhören, Colonel?«
    Er nickte zum Zeichen, daß er hörte. Maigret nahm die Emailleplakette aus der Tasche.
    »Das hier hat man heute morgen an der Stelle gefunden, an der Willys Leiche durch das Schilf geschleift worden war, ehe sie in den Kanal geworfen wurde …«
    Die Negretti unterdrückte einen Schrei, warf sich auf die Sitzbank aus granatfarbenem Velours, verbarg das Gesicht in den Händen und begann krampfartig zu schluchzen.
    Wladimir hingegen rührte sich nicht. Er wartete darauf, daß man ihm die Jacke zurückgab, um sie wieder an ihren Platz zu hängen.
    Der Colonel ließ ein seltsames Lachen hören und wiederholte vier- oder fünfmal:
    »Ja! … Ja!«
    Und gleichzeitig goß er sich noch einen Cognac ein.
    »Bei uns die Polizei verhört ganz anders. Sie muß hinweisen, daß alle Äußerungen verwendet werden können gegen den, der sie macht. Ich meine, einmal … Müssen Sie nicht mitschreiben? Ich will nicht ständig wiederholen müssen.
    Wir hatten einen Wortwechsel, Willy und ich. Ich fragte ihn … Aber das ist unwichtig. Er ist keine Kanaille wie all die anderen. Es gibt auch sympathische Kanaillen. Ich hatte ein paar zu harte Worte gesagt, und er packte mich hier am Jackett …«
    Er zeigte die Revers und warf dabei einen ungeduldigen Blick auf die Füße in Holzpantinen oder schweren Schuhen, die man immer noch vor den Bullaugen sah.
    »Das ist alles. Ich weiß nicht. Das Abzeichen ist vielleicht hingefallen. Das war auf der anderen Seite der Brücke.«
    »Und trotzdem ist die Plakette auf dieser Seite hier gefunden worden.«
    Wladimir schien nicht einmal hinzuhören. Er räumte Sachen weg, die herumlagen, verschwand im Vorschiff und kam ohne Eile zurück.
    Mit einem sehr ausgeprägten russischen Akzent fragte er Gloria, die nicht mehr weinte, aber immer noch unbeweglich der Länge nach ausgestreckt lag und das Gesicht in den Händen verbarg:
    »Wünschen Sie etwas?«
    Schritte waren auf dem Steg zu hören. Es klopfte an die Mahagonitür und der Wachtmeister rief:
    »Sind Sie da, Kommissar? Die Staatsanwaltschaft …«
    »Ich komme!«
    Der Wachtmeister rührte sich nicht, unsichtbar hinter der Mahagonitür mit den Messingdrückern.
    »Eine Frage noch, Colonel … Wann wird die Beerdigung stattfinden?«
    »Um drei Uhr.«
    »Heute?«
    » Yes! Ich hatte hier nichts zu tun.«
    Als er seinen dritten Drei-Sterne-Cognac getrunken hatte, nahmen seine Augen den verschwommenen Ausdruck an, den Maigret schon vorher bei ihm bemerkt hatte.
    Und phlegmatisch, gleichgültig, wie ein wirklicher Grandseigneur, fragte er den Kommissar, der sich zum Gehen wandte:
    »Bin ich verhaftet?«
    Plötzlich hob die Negretti den Kopf, totenbleich.

6
    Die amerikanische Mütze
    Das Ende der Unterredung zwischen dem Untersuchungsrichter und dem Colonel war beinahe feierlich, und das fiel nicht nur Maigret auf, der sich im Hintergrund hielt. Der Kommissar sah zu dem Vertreter des Staatsanwalts hinüber und las in dessen Augen das gleiche Gefühl.
    Die Staatsanwaltschaft hatte sich im Saal des Café de la Marine versammelt. Eine der Türen führte zur Küche hinaus, von wo man das gedämpfte Klappern der Pfannen hörte. Durch die andere Tür, deren Glasscheibe mit transparenten Reklameaufklebern für Herdputzmittel und Kernseife versehen war, konnte man die Umrisse der Säcke und Kisten im Laden erkennen.
    Draußen vor dem Fenster wanderte die Dienstmütze eines Polizisten hin und her, und die Neugierigen standen in respektvoller Entfernung zusammen, schweigend, aber hartnäckig.
    Ein Krug, der einen Rest Flüssigkeit enthielt, stand noch auf einem der Tische herum, neben einer Weinlache.
    Der Protokollführer saß auf einer Bank ohne Lehne und schrieb mit verdrossenem Gesicht.
    Die Leiche hatte man inzwischen,

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