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Maigret und der Treidler der Providence

Maigret und der Treidler der Providence

Titel: Maigret und der Treidler der Providence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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gemacht, der am Sonntagabend, kurz vor dem Tod Mary Lampsons, aus Meaux angekommen war, ein Kahn, der aus Holz gebaut und mit Harz bestrichen war.
    Warum wollte der Colonel ihn einholen? Welche Verbindung gab es zwischen der ›Southern Cross‹ und dem schweren Schiff, das sich mit dem langsamen Schritt seiner beiden Pferde fortbewegte?
    Während er durch die eintönige Szenerie des Kanals radelte und dabei immer mühsamer in die Pedale trat, skizzierte Maigret in Gedanken verschiedene Hypothesen, die aber nur zu bruchstückhaften oder abwegigen Schlußfolgerungen führten.
    Fanden die drei Beweisstücke nicht ihre Erklärung in der wütenden Anschuldigung der Negretti?
    Zehnmal hatte Maigret schon versucht, das Kommen und Gehen der Personen in dieser Nacht zu rekonstruieren, von der man nur eines wußte: daß Willy Marco sie nicht überlebt hatte.
    Jedesmal hatte er geglaubt, eine Lücke zu spüren; er hatte das Gefühl gehabt, daß da eine Figur fehlte, daß es außer dem Colonel, dem Toten und Wladimir noch jemanden geben müsse …
    Und nun hatte sich die ›Southern Cross‹ auf den Weg gemacht, um jemanden an Bord der ›Providence‹ zu treffen.
    Jemanden, der ganz offensichtlich in die Ereignisse verwickelt war! Konnte man nicht vermuten, daß dieser Jemand an dem zweiten Drama, das heißt an der Ermordung Willys, ebenso beteiligt war wie an dem ersten?
    In der Nacht lassen sich die Entfernungen rasch überwinden, mit dem Fahrrad zum Beispiel, wenn man den Leinpfad entlangfährt.
    »Haben Sie heute nacht nichts gehört? Ist Ihnen nichts Ungewöhnliches an Bord aufgefallen, als die ›Providence‹ vorbeifuhr?«
    Das war eine mühselige, enttäuschende Arbeit, vor allem bei diesem Sprühregen, der von den niedrigen Wolken herabfiel.
    »Nichts.«
    Der Abstand zwischen Maigret und der ›Southern Cross‹ wurde größer, denn die Yacht verlor an jeder Schleuse mindestens zwanzig Minuten. Immer schwerfälliger bestieg der Kommissar sein Rad und nahm in der Einsamkeit eines Kanalabschnitts verbissen einen der Fäden seiner Überlegungen wieder auf.
    Er hatte schon vierzig Kilometer zurückgelegt, als der Schleusenwärter von Sarry seine Frage beantwortete.
    »Mein Hund hat gebellt. Ich bin mir ziemlich sicher, daß irgend etwas den Weg entlanggekommen ist. Vielleicht ein Karnickel? Ich bin sofort wieder eingeschlafen.«
    »Wissen Sie, wo die ›Providence‹ vergangene Nacht angelegt hat?«
    Der Mann begann im Kopf zu rechnen.
    »Warten Sie mal … Es würde mich nicht wundern, wenn sie bis Pogny durchgefahren wäre. Der Besitzer wollte heute abend in Vitry-le-François sein.«
    Zwei Schleusen noch! Und wieder nichts! Maigret mußte den Schleusenwärtern bis auf die Tore nachlaufen, denn je weiter er kam, desto dichter war der Verkehr. In Vésigneul warteten drei Schiffe darauf, an die Reihe zu kommen. In Pogny waren es fünf.
    »Geräusche? Nein!« brummte der Wärter an dieser letzten Schleuse. »Aber ich möchte nur zu gern wissen, wer die Unverfrorenheit besessen hat, sich mein Fahrrad auszuleihen …«
    Der Kommissar wischte sich die Stirn; endlich schien er so etwas wie eine Spur gefunden zu haben. Sein Atem ging stoßweise, und seine Kehle war ausgedörrt. Er hatte fünfzig Kilometer zurückgelegt, ohne auch nur ein Glas Bier zu trinken.
    »Wo ist Ihr Fahrrad?«
    »Machst du mal die Schieber auf, François?« rief der Schleusenwärter einem Treidler zu.
    Und er führte Maigret zu seinem Haus. In der Küche, deren Eingang zu ebener Erde lag, tranken einige Schiffer Weißwein, den ihnen eine Frau ausschenkte, ohne ihren Säugling loszulassen.
    »Sie werden doch hoffentlich keinen Bericht machen, oder? Es ist verboten, Getränke auszuschenken. Aber das machen sie alle. Eigentlich mehr aus Gefälligkeit, wissen Sie … So, da wären wir!«
    Er zeigte auf einen Schuppen aus Holzbrettern, der an die Mauer angebaut war. Er hatte keine Tür.
    »Hier ist das Fahrrad. Es gehört meiner Frau. Können Sie sich das vorstellen, daß man bis zum nächsten Lebensmittelgeschäft vier Kilometer weit fahren muß? Ich habe ihr immer schon gesagt, sie soll das Rad über Nacht hereinholen, aber sie behauptet, das würde ihr zu viel Dreck ins Haus bringen.
    Übrigens muß derjenige, der es benutzt hat, ein komischer Kauz gewesen sein. Normalerweise hätte ich ja überhaupt nichts gemerkt. Aber gerade vorgestern war mein Neffe, der Mechaniker in Reims ist, für einen Tag zu uns herausgekommen. Die Kette war gerissen. Er hat sie

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