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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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dicke Person, die sich dem Anlaß entsprechend besonders adrett hergerichtet hatte, trat feierlich über die Schwelle und musterte Maigret sogleich mit argwöhnischem Bäuerinnenblick.
    »Sie wollten mir etwas mitteilen? Über Monsieur Clement?«
    »Über den Herrn, der gestorben ist und der in der Zeitung abgebildet war. Stimmt es, daß Sie fünfzig Franc bezahlen?«
    »Sofern Sie ihn am Samstag, dem 25. Juni gesehen haben, ja.«
    »Und wenn ich ihn zweimal gesehen habe?«
    »Dann kriegen Sie vielleicht hundert. Erzählen Sie …«
    »Erst müssen Sie mir versprechen, daß mein Mann nichts davon erfährt. Es ist nicht, weil er an seinem Herrn hängt, sondern wegen den hundert Franc, denn die würde er sofort vertrinken … Mir ist es natürlich auch lieber, Monsieur Tiburce weiß nicht, daß ich zu Ihnen gekommen bin. Weil ich ihn mit dem Herrn gesehen habe, der ermordet worden ist. Das erste Mal am Vormittag, etwa um elf. Da spazierten die beiden im Park.«
    »Sind Sie sicher, daß es Monsieur Clément war?«
    »So sicher, wie ich Sie vor mir sehe. Einen Herrn wie ihn trifft man nicht jeden Tag. Sie redeten etwa eine Stunde miteinander. Und am Nachmittag sah ich sie wieder durch das Wohnzimmerfenster. Da schienen sie sich zu streiten …«
    »Um wieviel Uhr war das?«
    »Es hatte eben fünf geschlagen … Das macht zweimal, nicht wahr?«
    Gierig beobachtete sie Maigrets Hand, während er einen Hundertfrancschein aus der Brieftasche zog. Dann seufzte sie, als täte es ihr leid, Monsieur Clément an jenem Samstag nicht auf Schritt und Tritt verfolgt zu haben.
    »Eigentlich habe ich ihn noch ein drittes Mal gesehen«, erklärte sie plötzlich. »Aber das zählt wohl nicht? Es war etwas später, als Monsieur Tiburce ihn zum Tor begleitete …«
    »Nein, das zählt leider nicht!« bestätigte Maigret trocken.
    Als sie gegangen war, zündete er seine Pfeife an, nahm den Hut und begab sich nach unten. Im Café blieb er vor Monsieur Tardivon stehen.
    »Seit wann bewohnt Monsieur de Saint-Hilaire das Schlößchen?«
    »Seit ungefähr zwanzig Jahren.«
    »Was ist das für ein Mann?«
    »Monsieur Tiburce? Sehr sympathisch, sehr natürlich. Ein lustiger kleiner Dicker, wissen Sie. Im Sommer läßt er sich selten hier blicken, der vielen Gäste wegen. Er verkehrt eben in anderen Kreisen … Aber während der Jagdsaison kommt er häufig zu uns …«
    »Hat er Familie?«
    »Er ist Witwer. In Sancerre nennt man ihn einfach Monsieur Tiburce, weil das ein seltener Vorname ist … Ihm gehören übrigens alle die Rebberge, die Sie dort drüben sehen. Er bewirtschaftet sie selber. Von Zeit zu Zeit fährt er nach Paris, um sich eine Nacht oder zwei um die Ohren zu schlagen. Dann kommt er zurück und zieht wieder seine Nagelschuhe an … Was hat die alte Canut denn erzählt?«
    »Ist er jetzt zu Hause?«
    »Möglich. Jedenfalls habe ich ihn heute noch nicht vorbeifahren sehen.«
    Maigret marschierte zum Parktor und klingelte. Während er sich wartend in der Gegend umsah, stellte er zweierlei fest: erstens, daß die Loire gleich unterhalb des Hotels eine Biegung machte, und zweitens, daß die Villa das letzte Haus des Städtchens war, weshalb man zu jeder Tages- und Nachtzeit ungesehen dort ein und aus gehen konnte.
    Die Parkmauer setzte sich auf der anderen Seite noch drei- oder vierhundert Meter weit fort. Dahinter begann die Wildnis.
    Ein Mann mit hängendem Schnurrbart und in grüner Gärtnerschürze schlurfte daher und öffnete das Portal. Er roch nach Schnaps, folglich mußte es sich um Madame Canuts Gatten handeln.
    »Ist dein Herr zu Hause?«
    Im gleichen Augenblick bemerkte Maigret einen Mann in Hemdsärmeln, der sich an einem Rasensprenger zu schaffen machte. Die Miene des Gärtners verriet ihm, daß er den Schloßherrn vor sich hatte, noch ehe dieser aufblickte und sich umwandte.
    Da der alte Canut offenbar zu benebelt war, um den Besucher zu melden, bückte sich Tiburce de Saint-Hilaire nach seiner Jacke, die auf dem Rasen lag, und kam mit raschen Schritten auf Maigret zu.
    »Sie wünschen mich zu sprechen?«
    »Kommissar Maigret von der Kriminalpolizei. Wären Sie so freundlich, mir ein paar Fragen zu beantworten?«
    »Geht es immer noch um dieses Verbrechen?« fragte der Schloßherr, mit dem Kinn auf das ›Hôtel de la Loire‹ deutend. »Was kann ich für Sie tun? Aber bitte, treten Sie ein! Hier entlang! In den Salon will ich Sie nicht führen, weil die Sonne den ganzen Tag auf die Mauern gebrannt hat. Gehen wir in die

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