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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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irgendwelche verräterischen Spuren aufwiesen.
    Aus einem eher abergläubischen als wissenschaftlichen Grund hatte er überdies Emile Gallets Porträt an den kupfernen Kerzenleuchter gelehnt, der auf dem schwarzen Marmorkamin stand.
    Der Boden war kahl, das Eichenholzparkett ungewachst. Die Beamten vom Erkennungsdienst hatten die Lage der Leiche mit Kreide markiert, ehe sie sie fortschafften.
    Die Luft draußen war von munterem, lärmendem Leben erfüllt. Vögel zwitscherten, Bäume rauschten, Fliegen summten, Hühner gackerten, und der Hammer in der nahen Schmiede schlug den Takt zu dieser Sinfonie.
    Vereinzelte Stimmen drangen von der Hotelterrasse herüber. Dann und wann ratterte ein Wagen über die Hängebrücke.
    »An Unterlagen fehlt es Ihnen wahrhaftig nicht! Ich hätte nie geglaubt …«
    Der Kommissar hörte nicht zu. Die brennende Pfeife im Mund, bückte er sich und breitete an der Stelle, wo die Beine des Toten gelegen hatten, sorgfältig eine schwarze Tuchhose aus. Die glänzenden Stellen bewiesen, daß das Kleidungsstück schon mindestens zehn Jahre alt sein mußte, doch der Stoff war so unverwüstlich, daß er noch weitere zehn Jahre überdauert hätte.
    Als nächstes stopfte Maigret ein Hemd aus Perkal in die Hose und darüber legte er die gestärkte Hemdbrust. Das Ganze nahm nicht recht Form an. Es wurde erst absurd und irgendwie rührend, als er ein Paar Schuhe mit Gummisohlen unter die Hosenenden steckte.
    An eine Leiche erinnerte es nicht im entferntesten. Eher an eine Kasperlefigur, und zwar eine so komische, daß der Wachtmeister nur mit Mühe ein verlegenes Grinsen unterdrücken konnte.
    Maigret lachte nicht. Bedächtig, hartnäckig arbeitete er weiter. Er untersuchte das Jackett, stellte fest, daß es an der Stelle, wo das Messer in den Körper gedrungen war, kein Loch aufwies, und hängte es wieder an den Kleiderhaken. Die Weste dagegen war unmittelbar über der linken Tasche aufgeschlitzt. Er legte sie über die Hemdbrust.
    »So also war er an dem Abend gekleidet«, murmelte er.
    Er nahm eines der Polizeifotos in die Hand, betrachtete es prüfend und ergänzte sein Werk, indem er die Kleiderpuppe mit einem sehr hohen Zelluloidkragen und einem Schlips aus schwarzem Satin versah.
    »Sehen Sie, Wachtmeister? Am Samstag aß er um acht Uhr zu Abend. Er aß Teigwaren und trank Mineralwasser, weil er Diät halten mußte. Danach las er wie gewohnt die Zeitung. Kurz nach zehn ging er auf sein Zimmer und zog sein Jackett aus. Die Schuhe und den steifen Kragen behielt er an.«
    Obgleich Maigret eher mit sich selbst als mit dem Beamten sprach, hörte dieser ihm aufmerksam zu und quittierte jeden Satz pflichtschuldigst mit einem Nicken.
    »Wo mag das Messer sich in jenem Augenblick befunden haben? Es ist eines dieser Taschenklappmesser, wie es viele Leute bei sich tragen. Warten Sie! …«
    Das Messer lag offen zwischen den anderen Beweisstücken auf dem Tisch. Er klappte es zu und steckte es in die linke Tasche der schwarzen Hose.
    »Nein! So wirft es Falten …«
    Er versuchte es mit der rechten Tasche, nickte befriedigt.
    »Gut. Er hat das Messer in der Tasche. Er lebt. Der Arzt hat festgestellt, daß er zwischen elf und halb ein Uhr nachts gestorben ist. An seinen Schuhspitzen klebt Staub von Mörtel und Sandstein. Und auf der Mauer, die Saint-Hilaires Schlößchen umgibt, habe ich Schuhspuren gefunden – genau gegenüber diesem Fenster. Was bedeutet das alles?
    Hat er sein Jackett abgelegt, um auf die Mauer zu klettern? Verstehen Sie, er ist ein pedantischer Typ, der stets die Form wahrt und sich nicht einfach so gehenläßt. Das tut er nicht einmal zu Hause. Diesen Punkt darf man nicht außer acht lassen.«
    Maigret schritt im Zimmer auf und ab, redete, unterbrach sich wieder, ohne den reglos in seiner Ecke sitzenden Polizisten zu beachten.
    »Im Kamin, der im Sommer nicht geheizt wird, finde ich verkohlte Papierreste … Rekapitulieren wir jetzt seine mutmaßlichen Handlungen: Er legt das Jackett ab, verbrennt seine Papiere, scharrt die Asche mit Hilfe dieses Kerzenleuchters zusammen (an dem Fuß klebt Ruß!), schwingt sich über die Fensterbrüstung, klettert auf die Mauer gegenüber und kehrt auf dem gleichen Weg zurück. Dann nimmt er das Messer aus der Tasche, klappt es auf … Ich weiß, das alles hilft uns nicht viel weiter … Wenn wir wenigstens wüßten, in welcher Reihenfolge sich die Dinge abgespielt haben …
    Zwischen elf und halb ein Uhr nachts befindet er sich jedenfalls im Zimmer.

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