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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Das Fenster steht offen. Er wird von einem Schuß am Kopf getroffen. Das steht einwandfrei fest. Der Schuß erfolgte vor dem Messerstich. Und er wurde von draußen abgefeuert.
    Aber Gallet hat das Messer gezückt. Er hat nicht versucht, aus dem Zimmer zu laufen, und das könnte bedeuten, daß statt dessen der Mörder hereinkam, denn auf einen sieben Meter entfernten Gegner geht man nicht mit dem Messer los …
    Dazu kommt, daß der Schuß ihm das halbe Gesicht zerfetzt hat. Er blutet. Am Fenster findet sich aber kein Tropfen Blut.
    Aus den Spuren zu schließen, die man gefunden hat, kann der Verletzte sich keine zwei Meter von seinem Standort entfernt haben.
    Starker Bluterguß am linken Handgelenk , heißt es im Autopsie-Rapport. Mit anderen Worten, unser Mann hält das Messer in der linken Hand, und jemand packt diese Hand, um die Waffe gegen ihn zu richten.
    Die Klinge dringt in Gallets Herz. Er bricht zusammen, läßt das Messer fallen. Der Mörder läßt es liegen, weil er weiß, daß man nur die Fingerabdrücke des Föten darauf finden wird.
    Die Brieftasche steckt unberührt in Gallets Jackett. Entwendet wurde nichts. Andererseits bestätigt der Erkennungsdienst, daß am Koffer winzige Gummiteilchen gefunden wurden, als ob jemand sich mit Gummihandschuhen daran zu schaffen gemacht hätte …«
    »Interessant! Interessant!« rief der Wachtmeister begeistert, obwohl er außerstande gewesen wäre, auch nur ein Viertel des Gehörten wiederzugeben.
    »Das Interessanteste daran ist, daß man außer den Gummispuren auch Roststaub fand …«
    »Vielleicht war der Revolver verrostet?«
    Maigret trat schweigend ans Fenster. Er wirkte wuchtig, wie er dort stand, in seinen weißen, gebauschten Hemdsärmeln – ein riesiger Schatten, der sich scharf von dem hellen Rechteck abhob. Ein dünner, bläulicher Rauchfaden kräuselte sich über seinem Kopf.
    Der Wachtmeister wagte vor lauter Ehrfurcht nicht einmal, die Beine übereinanderzuschlagen.
    »Wann soll ich Ihnen meine Landstreicher vorführen?« fragte er endlich schüchtern.
    »Ach, sind die immer noch da? Lassen Sie sie laufen!«
    Maigret trat an den Tisch, fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar, schob zerstreut das rosa Aktenbündel und die Fotos zur Seite und blickte plötzlich auf.
    »Sie haben ein Rad, nicht wahr? Fahren Sie doch schnell zum Bahnhof und fragen Sie, mit welchem Zug Henry Gallet am vergangenen Samstag nach Paris zurückgefahren ist. Ein junger Mann, zirka fünfundzwanzig, groß, mager, bleich, dunkel gekleidet, trägt Hornbrille. Apropos, haben Sie schon mal von einem Jacob gehört?«
    »Nur vom biblischen!« grinste der Wachtmeister und erschrak sogleich über seine eigene Kühnheit.
    Emile Gallets Kleider lagen wie ein lebloser Popanz auf dem Fußboden, als der Gendarm zur Tür ging. Im gleichen Augenblick wurde geklopft.
    »Besuch für Sie, Kommissar!« verkündete Monsieur Tardivon. »Eine Dame namens Boursang möchte Sie sprechen …«
    Der Wachtmeister zögerte. Er wäre gern geblieben, doch da niemand ihn dazu aufforderte, verzog er sich. Maigret schaute sich zufrieden im Zimmer um.
    »Führen Sie sie herein«, sagte er.
    Er beugte sich über die Kleiderpuppe, stieß ihr lächelnd das Messer ins Herz, richtete sich wieder auf und drückte mit dem Finger den Tabak in seiner Pfeife fest.
     
    Eléonore Boursang trug ein helles Kostüm von biederem Schnitt, das sie alles andere als jünger erscheinen ließ. Sie sah eher wie fünfunddreißig als wie dreißig aus.
    Sie trug tadellos sitzende Strümpfe, passende Schuhe, und das blonde Haar unter dem weißen Strohhütchen war sorgfältig frisiert. Die Handschuhe behielt sie an.
    Maigret hatte sich in den dunkelsten Winkel des Zimmers zurückgezogen. Er war neugierig, wie sie sich vorstellen würde. Da Monsieur Tardivon sie nur bis zur Tür begleitet hatte, zögerte sie, wie geblendet von dem grellen Licht, das durch das Fenster hereinflutete.
    »Kommissar Maigret?« wandte sie sich fragend dem Mann in der Ecke zu, den sie nur undeutlich wahrnehmen konnte. »Verzeihen Sie die Störung …«
    Er bewegte sich, schritt quer durch den Lichtstreifen zur Tür und schloß sie hinter ihr.
    »Setzen Sie sich!« sagte er knapp. Es klang nicht sehr einladend.
    »Ich nehme an, Henry hat Ihnen von mir erzählt. Und da ich ohnehin in Sancerre bin, erlaube ich mir, Sie mit einer Bitte zu belästigen …«
    Sein beharrliches Schweigen schien sie nicht zu erschüttern. Sie sprach in einem gemessenen Ton, der

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