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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Tür hielt er inne und drehte sich, den Hut im Nacken, noch einmal um. Eine Weile lang musterte er den jungen Mann von Kopf bis Fuß, dann fragte er rauh:
    »Haben Sie mir nichts zu sagen?«
    Henry schluckte, stotterte endlich:
    »Nein.«
     
    Maigret ließ sich absichtlich eine Stunde Zeit, ehe er in die Rue Clignancourt zurückkehrte, wo Monsieur Jacob immer noch hinter seinen Zeitungen saß.
    Brauchte er noch einen Beweis? Während Maigret auf den alten Mann zuging, erblickte er hinter der Scheibe der Bar Henry Gallets langes, bleiches Gesicht.
    Sekunden später bestätigte Monsieur Jacob:
    »Das ist sie! Wie sie leibt und lebt! Die hat’s also erwischt …!«
    Maigret entfernte sich wortlos und mit einem grimmigen Blick auf die Bar. Er hätte ohne weiteres hineingehen und Henry einen neuen Anfall verpassen können, nur indem er ihm die Hand auf die Schulter legte …
    »Aber umgebracht haben sie ihn nicht!«
    Eine halbe Stunde später stapfte er, ohne seine Kollegen zu grüßen, durch das Polizeigebäude. Auf seinem Schreibtisch lag der Brief des Steuerinspektors von Nevers.

9
Eine Scheinhochzeit
    Sofern Sie sich die Mühe machen wollen, mich privat und möglichst diskret in der Rue Creuse 17 in Nevers zu besuchen, kann ich Ihnen einiges über Emile Gallet mitteilen, das Sie in höchstem Maße interessieren wird.
     
    Maigret saß in einem rot und schwarz tapezierten Salon in der Rue Creuse und fixierte den Steuerinspektor, der ihn mit geheimnisvoller Miene hereingeführt hatte.
    »Das Dienstmädchen habe ich weggeschickt. Sie verstehen, es ist sicherer. Und sollte man Sie beim Hereinkommen gesehen haben, sind Sie mein Vetter aus Beaucaire …«
    War es ein nervöser Tick – oder sollte dieses merkwürdige Blinzeln seinen Worten mehr Nachdruck verleihen? Jedenfalls kniff der Mann beim Sprechen ständig nicht nur ein, sondern gleich beide Augen zu.
    »Sind Sie auch ein alter Kolonialveteran? Nein? Ich hätte geschworen … Schade, denn dann hätten Sie alles besser begriffen …«
    Seine Lider flatterten pausenlos weiter, seine Stimme klang immer vertraulicher, und ein listiger und zugleich furchtsamer Blick trat in seine Augen.
    »Ich habe zehn Jahre in Indochina verbracht, zu einer Zeit, da es in Saigon noch keine großen Boulevards gab wie in Paris … Dort lernte ich Emile Gallet kennen.
    Es war der Messerstich, der mich auf die Spur geführt hat. Sie werden gleich verstehen, was ich meine … Das Rätsel ist immer noch ungelöst, wie? Sie werden auch nichts finden, weil dahinter eine Geschichte steckt, die nur ein Indochinaveteran versteht, und zwar einer, der damals dabei war … «
    Maigret wußte bereits, was ihm bevorstand. Die Sorte Wichtigtuer kannte er. Da blieb einem nichts anderes übrig, als ihren Redeschwall geduldig über sich ergehen zu lassen, sie auf keinen Fall zu unterbrechen und nur dann und wann zu nicken. Auf diese Weise sparte man noch am ehesten Zeit.
    »Ein kreuzfideler Kerl, unser Gallet! … Er war so eine Art Sekretär bei einem Notar, der seither Karriere gemacht hat und Senator geworden ist … Gallet war ein begeisterter Sportler! Wollte unbedingt eine Fußballmannschaft aufstellen. Wir mußten mitmachen, ob wir wollten oder nicht, aber da wir keine Gegenspieler hatten … na ja!
    Aber noch wichtiger als Fußball waren für ihn die Frauen. Und an Gelegenheiten mangelt es dort unten wahrhaftig nicht. Also, er war ein richtiger Draufgänger. Was der mit ihnen angestellt hat!
    Sie gestatten?«
    Er schlich zur Tür und öffnete sie mit einem Ruck. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß kein Lauscher dahinterstand, ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen.
    »Aber einmal ist er dann doch zu weit gegangen, und ich bin nicht sonderlich stolz darauf, daß ich ihm geholfen habe. Nebenbei bemerkt, ohne jede Begeisterung.
    Ein Pflanzer hatte damals gerade zwei- oder dreihundert malaische Arbeiter eingeführt, darunter auch Frauen und Kinder. Eine Kleine war dabei, wie aus Bernstein geschnitzt! Ihren Namen weiß ich nicht mehr.
    Woran ich mich hingegen erinnere, ist, daß ich gerade ein Buch von Stevenson über die Eingeborenen auf den Pazifik-Inseln gelesen und mit Gallet darüber gesprochen hatte. Der Held ist ein Weißer, der auf eine junge Wilde scharf ist und sie zum Schein heiratet, weil er sie anders nicht kriegen kann …
    Das gefiel meinem guten Emile!
    Die Malaien konnten damals noch nicht lesen, zumindest nicht die armen Kerle, die man wie Vieh verfrachtete …
    Gallet

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