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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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höchstens zwei- bis sechshundert aufs Mal. In seltenen Fällen tausend …
    Im ›Hôtel de la Loire‹ verlange ich ein Zimmer zum Hof hinaus. Warum zum Hof? Weil ich befürchte, ermordet zu werden? … Von wem?«
    Maigret marschierte mit gesenktem Kopf und bemühte sich, Gallets Gedankengänge nachzuvollziehen.
    »Weiß ich, wer Monsieur Jacob in Wirklichkeit ist? Seit drei Jahren erpreßt er mich. Seit drei Jahren zahle ich. Ich habe den Zeitungsverkäufer in der Rue Clignancourt ausgehorcht. Ich bin einer jungen blonden Frau gefolgt, die mich vor einem Haus mit zwei Ausgängen abgehängt hat …
    Henry kann ich unmöglich verdächtigen, da ich nichts von seinem Liebesverhältnis weiß. Ich weiß auch nicht, daß er hunderttausend Franc beiseitegelegt hat oder daß er fünfhunderttausend braucht, um sich mit seiner Geliebten in Südfrankreich niederzulassen … Somit bleibt Monsieur Jacob eine unbekannte Größe, ein Schreckgespenst, das sich hinter der Person eines alten Zeitungsverkäufers verbirgt.«
    Maigret fuhr mit der Hand durch die Luft, wie ein Schullehrer mit dem Lappen über die Wandtafel wischt, um eine Rechnung auszulöschen.
    Er wünschte, er hätte alles, was er bisher in Erfahrung gebracht hatte, vergessen und mit seinen Ermittlungen nochmals von vorn beginnen können.
    »Emile Gallet war eine kreuzfidele Nummer! Er zwang seine Kameraden, mit ihm zusammen eine Fußballmannschaft aufzustellen …«
    Er ging am Hotel vorbei und klingelte am großen Parktor des Schlößchens.
    Monsieur Tardivon, der unter der Hoteltür stand, schaute ihm beleidigt nach. Maigret hatte ihn nicht einmal gegrüßt.
    Der Kommissar mußte ziemlich lange warten, bis endlich ein Diener erschien und ihn eintreten ließ. Unvermittelt fragte er den Mann:
    »Seit wann sind Sie im Haus?«
    »Seit einem Jahr … Aber … Sie möchten Monsieur de Saint-Hilaire sprechen?«
    Der Hausherr stand im Erdgeschoß am offenen Fenster und winkte Maigret freundlich entgegen.
    »Was sagen Sie jetzt? … Der Schlüssel ist doch noch zum Vorschein gekommen! … Aber bitte, wollen Sie nicht auf einen Sprung hereinkommen? … Und wie kommen Sie mit Ihrer Untersuchung voran?«
    »Seit wann arbeitet der alte Canut bei Ihnen?«
    »Ich glaube, seit drei oder vier Jahren … Sie wollen wirklich nicht hereinkommen?«
    Auch dem Schloßherrn fiel Maigrets veränderte Haltung auf. Die düstere Miene, die gerunzelte Stirn, der halb müde, halb boshafte Ausdruck seiner Augen verhieß nichts Gutes.
    »Ich lasse gleich eine Flasche heraufholen und …«
    »Was ist aus dem früheren Gärtner geworden?«
    »Er hat jetzt ein Bistro an der Straße nach Saint-Thibaut, einen Kilometer von hier … Der alte Halunke! Hat sein Schäfchen auf meine Kosten ins trockene gebracht, ehe er sich selbständig machte.«
    »Danke.«
    »Sie gehen schon?«
    »Ich komme wieder.«
    In Gedanken versunken, kehrte Maigret zum Tor zurück, bog in die Straße nach Saint-Thibaut ein.
    »Er brauchte sofort zwanzigtausend Franc! Er hat gar nicht erst versucht, bei seinen üblichen Opfern in den Schlössern der Umgebung anzuklopfen. Er ging schnurstracks zu Saint-Hilaire. Zweimal am selben Tag! Und abends kletterte er auf die Mauer …«
    Plötzlich hielt er in seinem Monolog inne und fluchte.
    »Verdammt! Warum aber hat er ein Zimmer verlangt, das auf den Hof hinausgeht? Denn so hätte er niemals unbemerkt auf die Mauer klettern können …«
    Das Wirtshaus des ehemaligen Gärtners stand dicht an der Schleuse des Kanals, der dort in die Loire mündete. Es war eine typische Schifferkneipe und bis auf den letzten Platz besetzt.
    »Polizei. Ich möchte eine Auskunft von Ihnen, die sich auf den Mord in Sancerre bezieht … Erinnern Sie sich, Emile Gallet jemals im Schlößchen gesehen zu haben, während Sie noch dort arbeiteten?«
    »Sie meinen wohl Monsieur Clément, wie wir ihn nannten? Ja, den habe ich ein paarmal gesehen.«
    »Kam er oft?«
    »Das möchte ich nicht behaupten. So alle sechs Monate, glaube ich. Jedenfalls oft genug, damit der Affe einem hinterher vierzehn Tage lang das Leben sauer machte …«
    »Erinnern Sie sich, wann er zum erstenmal kam?«
    »Vor zehn Jahren. Es können auch fünfzehn sein. Darf ich Ihnen einen Schnaps anbieten?«
    »Danke. Haben die Herren sich manchmal gestritten?«
    »Manchmal? … Nein! Jedesmal! Einmal sah ich sie sogar aufeinander losgehen wie zwei besoffene Hafenarbeiter.«
    »Trotzdem kann Saint-Hilaire ihn nicht ermordet haben«, überlegte

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