Maigret und die Affäre Saint Fiacre
entgangen war und die auf einen breiten, mit einem roten Läufer belegten Gang mündete. Im Hintergrund ein Pult mit einem großen Gästeregister, eine Telefonzentrale, eine Angestellte. Dort stand Métayer, offenbar gerade am Ende eines Gesprächs mit ihr. Er verabschiedete sich, als Maigret dazutrat:
»Danke, Mademoiselle … in der ersten Straße links, sagen Sie?«
Er versuchte nicht, sich vor dem Kommissar zu verbergen.
Dessen Anwesenheit schien ihn nicht zu stören. Im Gegenteil! Und in seinem Blick lag ein frohlockendes Leuchten.
»Ich wußte nicht, daß das ein Hotel ist«, sagte Maigret zu dem jungen Mädchen.
»Sind Sie anderswo abgestiegen? … Dann haben Sie einen Fehler gemacht … Das ist sogar das beste Hotel von Moulins …«
»War nicht der Graf de Saint-Fiacre hier als Gast?«
Sie hätte beinahe zu lachen begonnen. Dann wurde sie plötzlich ernst:
»Hat er etwas getan?« erkundigte sie sich leicht beunruhigt. »Es ist nun das zweitemal innerhalb von fünf Minuten, daß …«
»Wo haben Sie meinen Vorgänger hingeschickt?«
»Er will herausfinden, ob der Graf in der Nacht vom Samstag zum Sonntag das Haus verließ … Die Frage kann ich ihm jetzt nicht beantworten, weil der Nachtpo r tier noch nicht eingetroffen ist … Dann hat er sich e r kundigt, ob wir eine Garage haben, und dort ist er hin …«
Wahrlich, Maigret brauchte Métayer bloß zu folgen!
»Und die Garage liegt in der ersten Straße links!« schloß Maigret immerhin leicht pikiert.
»So ist’s! Sie bleibt während der ganzen Nacht geöffnet.«
Jean Métayer hatte entschieden nicht getrödelt; denn als Maigret in die betreffende Straße einbog, kam er pfeifend heraus. Der Wächter war in einer Ecke beim Imbiß.
»Es geht um dasselbe, was der junge Mann wissen wollte, der gerade wegging … Der gelbe Sportwagen … Ist er in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag ausg e fahren?«
Auf dem Tisch lag bereits eine Zehnfranc-Note. Maigret legte eine zweite dazu.
»Gegen Mitternacht, ja!«
»Und kam er zurück?«
»So um drei Uhr morgens vielleicht …«
»War er schmutzig?«
»Nicht besonders … Wissen Sie, das Wetter ist trocken.«
»Sie waren zu zweit, nicht wahr? Ein Mann und eine Frau …«
»Nein! Ein Mann allein.«
»Klein und mager?«
»Aber nein! Recht groß, im Gegenteil, und gut beisammen.«
Der Graf de Saint-Fiacre, ganz offensichtlich.
Als Maigret ins Café zurückkehrte, mühte das Orchester sich wieder ab, und als erstes stellte er fest, daß Métayer und sein Anwalt von ihrem Tisch verschwunden waren.
Gleich darauf entdeckte er jedoch den Anwalt an seinem eigenen Platz, neben dem Grafen Saint-Fiacre. Beim Anblick des Kommissars stand er von der Bank auf.
»Verzeihen Sie mir … Aber nein! Natürlich ist das Ihr Platz … Ich bitte Sie …«
Weggehen wollte er nicht. Er setzte sich auf den Stuhl gegenüber. Er war sehr lebhaft, mit geröteten Wangen, wie jemand, dem es darum geht, rasch den Abschluß eines heiklen Geschäfts zu erreichen.
Sein Blick schien Jean Métayer zu suchen, der nirgends zu sehen war.
»Sie werden gleich verstehen, Herr Kommissar … Ich hätte mir nicht erlaubt, im Schloß vorzusprechen … Selbstverständlich … Da jedoch der Zufall uns hier zusammentreffen läßt, auf neutralem Grund, sozusagen …«
Und er bemühte sich zu lächeln. Nach jedem Satz schien er seinen beiden Gesprächspartnern eine Reverenz zu erweisen, ihnen für ihre Zustimmung zu da n ken.
»In einer derart peinlichen Situation ist es, wie ich meinem Klienten sagte, unnötig, die Dinge noch durch übertriebene Empfindlichkeit zu komplizieren … Mo n sieur Métayer hat das durchaus begriffen … Und als Sie dazukamen, Herr Kommissar, sagte ich dem Grafen de Saint-Fiacre, daß es uns nur darum geht, zu einem Ei n vernehmen zu kommen …«
Maigret brummelte:
»Allerhand!«
Und bei sich dachte er: ›Mein Bursche, du hast Glück, wenn der Mann, dem du da etwas vorsäuselst, dir nicht in den nächsten fünf Minuten seine Hand ins Gesicht haut …‹
Die Billardspieler tummelten sich noch immer um die grüne Fläche.
Die Frau dagegen erhob sich, ließ ihre Handtasche auf dem Tisch und ging zum anderen Ende des Saals.
›Noch jemand, der auf dem Holzweg ist‹, sinnierte Maigret. ›Sie ist eben auf einen glänzenden Gedanken gekommen: Métayer könnte hinausgegangen sein, um unbeobachtet mit ihr zu reden … Also machte sie sich auf die Suche nach ihm‹.
Er täuschte sich nicht: Die Hand in die
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