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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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hörbar.
    »Drei Portwein, drei!«
    Die Türe ging auf, schloß sich. Kälte drang ein, wurde bald von der Wärme im Raum überwunden.
    Die Lampen über dem dritten Billard gingen an, als die Kassiererin einen der hinter ihr angebrachten Schalter drehte. »Dreißig Punkte!« sagte eine Stimme. Dann zum Kellner: »Ein Vichy-Wasser … Nein, ein Vittel-Erdbeer …«
    Es war Emile Gautier, der sorgfältig die Spitze seines Queues mit blauer Kreide bestrich. Dann stellte er den Punktezähler auf Null. Sein Begleiter war der stellvertr e tende Direktor der Bank, zehn Jahre älter, mit schmalem braunem Schnurrbart.
    Erst beim dritten Stoß – der ihm danebenging – nahm der junge Mann Maigret wahr. Er grüßte etwas verlegen. In der Folge nahm ihn indessen das Spiel derart in Anspruch, daß er nicht mehr Zeit fand, sich u m zusehen.
    »Natürlich, wenn Sie die Kälte nicht scheuen, ist Platz für Sie in meinem Wagen«, sagte Maurice de Saint-Fiacre. »Darf ich Sie zu einem Glas einladen? Wissen Sie, auf ein paar Franc kommt’s auch nicht mehr an …«
    »Garçon!« sagte Jean Métayer laut. »Bestellen Sie mir eine Verbindung mit Bourges, Nummer siebzehn!«
    Die Telefonnummer seines Vaters! Etwas später verschwand er in der Kabine.
    Maigret rauchte noch immer. Er hatte sich ein zweites Glas Bier kommen lassen. Und die Frau war, vermutlich wegen seiner fülligen Gestalt, zum Schluß gekommen, es mit ihm zu versuchen. Wann immer er sich in ihre Richtung wandte, lächelte sie ihm zu, als wären sie alte Bekannte.
    Sie konnte natürlich nicht ahnen, daß er gerade an die arme Alte dachte, wie ihr Sohn sie nannte, die dort drüben im Schloß oben im ersten Stock lag und an der Bauern vorbeidefilierten, sich mit den Ellbogen stoßend.
    In Gedanken sah er sie indessen nicht so vor sich; er stellte sie sich vielmehr zu jener Zeit vor, als es noch keine Autos vor dem Café de Paris gab und man dort noch keine Cocktails trank.
    Er sah sie im Schloßpark, schlank und biegsam, elegant wie die Heldin eines Unterhaltungsromans, nicht weit vom Kinderwagen, den die Pflegerin schob …
    Maigret war bloß ein kleiner Junge, dessen Haare sich wie die von Emile Gautier oder die des Rotschopfs w i derspenstig hochsträubten.
    War er nicht eifersüchtig auf den Grafen gewesen, an jenem Morgen, an dem das Paar nach Aix-les-Bains a b reiste, in einem Auto (einem der ersten in der Gegend) voll Pelzen und Parfüm? Unter dem kleinen Schleier war das Gesicht nicht zu erkennen. Der Graf trug eine Staubbrille. Es sah nach einer kühnen Entführung aus. Und die Kinderfrau hielt die Hand des Babys, ließ sie Abschied winken …
    Jetzt wurde die arme Alte mit Weihwasser besprengt, und in ihrem Zimmer roch es nach Kerzenqualm.
    Rührig bewegte sich Emile Gautier um den Billardtisch, führte raffinierte Stöße aus, zählte halblaut, wic h tigtuerisch:
    »Sieben …«
    Er zielte abermals. Er schien zu gewinnen. Sein schnauzbärtiger Vorgesetzter sagte in gezwungenem Ton:
    »Grandios!«
    Zwei Männer beobachteten sich über die grüne Billardfläche hinweg: Jean Métayer, auf den der lächelnde Anwalt pausenlos einredete, und der Graf Saint-Fiacre, der mit lässiger Handbewegung den Kellner aufhielt:
    »Nochmals dasselbe!«
    Maigret ging nun eine Pfadfinderpfeife durch den Kopf. Eine schöne zweitönige Pfeife, aus Messing, wie er nie eine gehabt hatte.
    8
    Die Einladung zum Diner
    N
    och ein Telefongespräch!« seufzte Maigret, als er Métayer sich einmal mehr erheben sah.
    Er folgte ihm mit den Augen, stellte fest, daß er weder in die Kabine noch zur Toilette ging. Anderseits war der rundliche Anwalt auf seinem Sitz nach vorne g e rutscht, wie jemand, der noch zögert, aufzustehen. Er schaute zum Grafen Saint-Fiacre hin. Es schien sogar, als deute er ein Lächeln an.
    War etwa Maigret da zuviel? Die Szene erinnerte ihn jedenfalls an gewisse Erlebnisse seiner Jünglingszeit: drei oder vier Kumpane in einem ähnlichen Lokal; zwei Frauen am anderen Ende des Saales; die Diskussionen, das Zaudern, der Kellner, den man mit einem Briefchen hinüberschickt …
    Der Anwalt war von derselben Erregung ergriffen. Die Frau, die zwei Tische von Maigret entfernt saß, ließ sich davon täuschen, meinte, daß es um sie ging. Sie lächelte, öffnete ihre Handtasche, legte etwas Puder auf.
    »Ich komme gleich wieder«, sagte der Kommissar zu seinem Tischgefährten.
    Er durchquerte den Saal in der Richtung, die Métayer eingeschlagen hatte, entdeckte eine Türe, die ihm

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