Maigret und die alte Dame
Geschäfte. Wissen Sie, er ist ein sehr intelligenter Junge, und wenn er gewollt hätte...«
»War er sofort damit einverstanden, zu Valentine mitzukommen?«
»Nicht gleich.« »Hat er Ihnen gesagt, warum er hier ist?«
»Ich hoffe, Kommissar, Sie verdächtigen nicht Theo.«
»Ich verdächtige niemand, Monsieur Besson. Wir unterhalten uns nur. Ich versuche mir ein möglichst genaues Bild von der Familie zu machen.«
»Nun, wenn Sie meine Meinung hören wollen, Theo ist, auch wenn er es abstreitet, sentimental. Er hatte Heimweh nach Etretat, wo wir als Kinder unsere Ferien verbrachten. Wissen Sie, wir waren schon hier, als meine Mutter noch lebte.«
»Ich verstehe.«
»Ich habe ihm erklärt, dass es überhaupt keinen Grund gebe, mit Valentine weiter spinnefeind zu sein; sie sei ihm auch nicht mehr böse. Da ist er schließlich mitgegangen.«
»Wie benahm er sich?«
»Wie ein Mann von Welt. Am Anfang war er etwas verlegen. Als er unsere Geschenke sah, entschuldigte er sich, dass er mit leeren Händen dastehe.«
»Und wie war er zu Arlette?«
»Was? Es war nie etwas zwischen Arlette und Theo!«
»Beim Abendessen saß also die ganze Familie vollständig am Tisch.«
»Außer Sudre, der nicht kommen konnte.«
»Richtig. Ich vergaß. Und Sie haben nichts bemerkt, keine winzige Kleinigkeit, die eine Tragödie ankündigte?«
»Absolut nichts. Ich beobachte von Natur aus sehr viel.«
Angeber! Aber welch ein Glück, manchmal ein Angeber zu sein!
»Ich muss sagen, dass Mimi und ich durch die Kinder sehr in Anspruch genommen waren. Zu Hause sind sie einigermaßen gut zu haben. Aber wenn man mit ihnen woanders hingeht, sind sie unruhig. Sie haben gesehen, wie klein Valentines Haus ist. Im Esszimmer saßen wir so eng nebeneinander, dass man sich nicht mehr auf seinem Stuhl umdrehen konnte. Das Baby, das gewöhnlich meistens schläft, schrie deswegen beinahe eine Stunde lang, bis uns die Ohren weh taten. Wir mussten den Kerl auf das Bett der Stiefmutter legen und wussten nicht, wohin wir mit den beiden Großen sollten.«
»Kannten Sie die Rose gut?«
»Wenn ich in La Bicoque war, habe ich sie jedes Mal gesehen. Sie war ein braves Mädchen, ein bisschen verschlossen, wie viele Leute hier. Aber wenn man sie kennt...«
»Sie haben Sie also im ganzen etwa sechsmal gesehen?«
»Etwas öfter.«
»Haben Sie mit ihr geredet?«
»So wie man mit einer Hausangestellten redet, über das Wetter und das Kochen. Sie war eine gute Köchin. Ich frage mich, wie Valentine, die sehr viel Wert auf gutes Essen legt, ohne sie auskommen wird. Sehen Sie, Kommissar, seit ich Ihnen hier zuhöre und auf Ihre Fragen antworte, befürchte ich, dass Sie auf dem Holzweg sind.«
Maigret reagierte nicht darauf, zog weiterhin bedächtig an seiner Pfeife und schaute einem winzigen Schiff nach, das kaum merklich am Horizont dahinsegelte.
»Weil ich es übrigens ahnte, das heißt, weil ich ahnte, in welche Richtung die polizeilichen Untersuchungen laufen würden, habe ich mich an den Minister gewandt und ihn gebeten, Sie mit der Untersuchung zu betrauen.«
»Ich bedanke mich.«
»Aber nicht doch! Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind! Obwohl ich immer sehr viel zu tun habe, habe ich trotzdem ab und zu einen Kriminalroman gelesen. Es ist wohl unnötig, Sie zu fragen, ob Sie das ernst nehmen. Im Kriminalroman hat jeder irgendetwas zu verbergen, jeder hat ein mehr oder weniger schlechtes Gewissen, und man stellt fest, dass die scheinbar unkompliziertesten Menschen in Wirklichkeit sehr schwierig sind.
Jetzt, da Sie die Familie ein bisschen kennengelemt haben, verstehen Sie wohl, dass keiner von uns eine Veranlassung hatte, der Stiefmutter böse zu sein, um gleich kaltblütig einen Mord zu planen. In Roses Magen wurde Arsen gefunden, und es ist nicht zu leugnen, wenn ich das, was man mir sagte, richtig verstanden habe, dass es aus dem Glas mit der für Valentine bestimmten Medizin stammt. Ich bezweifle auch die Schlussfolgerungen der Experten nicht, die ihr Handwerk verstehen, auch wenn sie sich schon getäuscht haben und nicht immer einer Meinung sind.
Sie haben Arlette getroffen. Sie haben Theo gesehen. Sie sitzen jetzt mit mir zusammen. Mimi hätte ich Ihnen vorgestellt, wenn nicht der Trauerfall dazwischengekommen wäre, und Sie hätten sich überzeugen können, dass sie niemand etwas zuleide tun kann.
Wir waren alle in fröhlicher Stimmung am Sonntag. Und ich behaupte, selbst auf die Gefahr hin, ausgelacht zu werden, dass es nur durch
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