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Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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bestimmten Absicht begangen wurde.«
    »Aber aus welcher Absicht denn, zum Teufel?«
    Er ereiferte sich noch zum Schluss.
    »Ich habe es noch nicht herausbekommen.« »Alles, was meine Stiefmutter besitzt, ist eine Rente, daneben einige Möbel und Nippsachen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich brauche kein Geld, vor allem jetzt nicht. Arlette auch nicht. Theo kümmert sich umso etwas nicht.«
    »Das hat man mir schon wiederholt gesagt.«
    »Also?«
    »Also nichts. Ich stehe erst am Anfang meiner Untersuchung, Monsieur Besson. Sie haben mich geholt, und ich bin gekommen. Valentine hat mich ebenfalls gebeten, mich der Sache anzunehmen.«
    »Hat sie Ihnen geschrieben?«
    »Weder geschrieben noch telefoniert. Sie besuchte mich in Paris.«
    »Ich wusste, dass sie nach Paris gefahren ist, aber ich glaubte, sie besucht dort ihre Tochter.«
    »Sie kam in den Palais de Justice und saß gerade in meinem Büro, als ich die Mitteilung des Ministers bekam.«
    »Das ist seltsam.«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht wusste, dass sie Ihren Namen kennen würde.«
    »Sie erzählte mir, dass sie die meisten meiner Fälle in der Zeitung mitverfolgt und auch einige Artikel ausgeschnitten hätte. Was bedrückt Sie?«
    »Nichts.«
    »Möchten Sie lieber nichts sagen?«
    »Nichts Bestimmtes, ich versichere es Ihnen, außer dass meine Stiefmutter nie eine Zeitung gelesen hat. Sie hat keine abonniert, weigerte sich immer, ein Radio zu haben, und wollte auch kein Telefon. Sie interessiert sich überhaupt nicht für das, was um sie herum vorgeht.« »Sie sehen, man kann so seine Entdeckungen machen.«
    »Wohin führt uns diese?«
    »Das werden wir noch sehen. Vielleicht zu nichts. Haben Sie keinen Durst?«
    »Ist Theo immer noch in Etretat?«
    »Ich habe ihn gestern Abend noch gesehen.«
    »Dann haben wir die Chance, ihn in einer Bar zu finden. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit.«
    »Ich werde Sie miteinander bekannt machen.«
    Man spürte, dass ihn irgendetwas beunruhigte, denn diesmal biss er das Ende der Zigarre einfach ab und zündete sie ohne große Umstände an.
    In den Wellen spielten Jungen mit einem großen roten Ball...
6
Rose und ihre Probleme
    Besson hatte sich nicht geirrt. Außer Charlie, der noch mit Gläserspülen beschäftigt war, saß nur eine einzige Person an der Bar: Theo, der ganz allein Poker dice spielte, weil er keinen Partner hatte.
    Charles ging auf ihn zu, glücklich und stolz, seinen älteren Bruder zu präsentieren. Theo sah sie mit ausdruckslosem Blick an und stieg nur widerwillig von seinem Barhocker herunter.
    »Kennst du Kommissar Maigret?«
    Theo hätte sagen können >nur dem Namen nach< oder >wie jeder<, irgendetwas, das durchblicken ließ, dass es für ihn nicht nur irgendein Name war, aber er beschränkte sich auf eine förmliche Verbeugung und murmelte, ohne ihm die Hand zu geben: »Erfreut.« Aus der Nähe sah er viel älter aus, sein Gesicht hatte feine Fältchen, die wie Risse aussahen. Er brachte jeden Morgen sicher viel Zeit im Friseursalon zu und ließ sich pflegen, vielleicht auch massieren, denn er hatte eine Haut wie eine alte Kokotte.
    »Du weißt vielleicht, dass auf meine und Valentines Initiative hin der Kommissar die Untersuchung hier übernommen hat? Valentine ist deswegen extra nach Paris gefahren.«
    Charles war etwas enttäuscht, dass sein Bruder sie mit der höflichen Zurückhaltung eines Königs auf Staatsbesuch empfing. »Stören wir dich auch nicht?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Wir haben gerade eine Stunde in der Sonne am Strand gesessen und haben Durst. Charlie!«
    Dieser zwinkerte Maigret freundschaftlich zu.
    »Was trinkst du da gerade, Theo?«
    »Scotch.«
    »Ich mag keinen Whisky. Was nehmen Sie, Kommissar? Für mich einen Picon-grenadine.«
    Warum bestellte sich Maigret auch einen? Das war ihm schon lange nicht mehr passiert, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund erinnerte es ihn an Ferien.
    »Hast du Valentine seit Sonntag noch einmal gesehen?«
    »Nein.«
    Theo hatte große und gepflegte, aber blasse Hände mit rötlichen Haaren auf dem Handrücken, und an einer Hand trug er einen großen Siegelring. Nichts von dem, was er anhatte, hätte man in einem Kaufhaus gefunden. Es fiel auf, dass er sich auf einen Typ festgelegt hatte, und zwar ein für alle Mal. Jemand hatte ihm großen Eindruck gemacht, wahrscheinlich ein englischer Adliger, und er hatte dessen Gesten, dessen Gang, die Art, sich anzuziehen, und sogar dessen Mienenspiel genau kopiert. Ab und zu

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