Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
konnte; wohlgemerkt unter dem Vorwand, man würde sie nicht verstehen.« »Haben Sie Henri Trochu nach ihrem Tod getroffen?«
    »Er hat mich auf der Straße angesprochen, fragte mich, ob ich es gewesen sei, der mit seiner Schwester ausgegangen sei, und sah so aus, als ob er sich mit mir schlagen wollte. Ich antwortete ihm in aller Ruhe, und er fing sich wieder.«
    »Haben Sie ihn noch einmal getroffen?«
    »Ja, gestern Abend.«
    »Warum?«
    »Weil wir uns zufällig begegnet sind.«
    »Hat er etwas gegen Ihre Familie?«
    »Er ist vor allem böse auf Valentine.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Das ist seine Sache. Ich nehme an, Sie können ihn fragen, so wie Sie mich ausgefragt haben. Charlie!«
    Maigret ging plötzlich auf, wen Theo so akkurat nachzuahmen versuchte: den Herzog von Windsor.
    »Zwei oder drei Fragen noch, wenn Sie so liebenswürdig sind. Haben Sie Rose nie in La Bicoque besucht?«
    »Nie.«
    »Haben Sie auch nicht in der Nähe auf sie gewartet?«
    »Sie kam hierher.«
    »Hat sie sich in Ihrer Gesellschaft nie betrunken?«
    »Nach zwei oder drei Gläsern war sie ziemlich am Ende.«
    »Hat sie nie gesagt, dass sie sterben wolle?«
    »Sie hatte eine Heidenangst vor dem Tod und bat mich beim Autofahren immer, langsam zu fahren.«
    »Mochte sie Ihre Stiefmutter? Diente sie ihr gerne?«
    »Ich glaube nicht, dass zwei Frauen, die von morgens bis abends zusammen sind, sich gut leiden können.« »Glauben Sie, dass sie sich zwangsläufig hassten?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Eigentlich«, sagte Charles Besson, »erinnert mich das an Valentine, die ich besuchen sollte. Es wäre nicht sehr höflich, wenn ich in Etretat bin und mich nicht nach ihrem Befinden erkundige. Begleiten Sie mich, Herr Kommissar?«
    »Danke.«
    »Sie bleiben noch bei meinem Bruder?«
    »Ich bleibe noch einen Augenblick hier.«
    »Brauchen Sie mich heute nicht mehr? Morgen bin ich in Dieppe auf der Beerdigung. Übrigens, Theo, meine Schwiegermutter ist gestorben.«
    »Meinen Glückwunsch.«
    Er ging mit hochrotem Gesicht, wobei man nicht sagen konnte, ob es nun von den Aperitifs oder vom Benehmen seines Bruders kam.
    »Idiot!« zischte Theo zwischen den Zähnen. »So, er ließ Sie also extra aus Paris kommen!« Er zuckte die Schultern, griff nach den Würfeln, als ob er damit demonstrieren wollte, dass er nichts mehr zu sagen hatte. Maigret zog seinen Geldbeutel aus der Tasche, drehte sich nach Charlie um, aber Theo murmelte nur undeutlich: »Setz das auf meine Rechnung.«
    Als Maigret aus dem Kasino kam, sah er Castaings Wagen und neben dem Hotel den Inspektor, der ihn suchte.
    »Haben Sie einen Augenblick Zeit? Trinken wir einen?«
    »Lieber nicht. Ich habe, glaube ich, eben drei Aperitifs hintereinander getrunken und würde lieber gleich etwas essen.«
    Er fühlte sich wie betäubt. Er neigte auf einmal dazu, die ganze Geschichte in einem eher komischen Licht zu sehen, und auch Castaing mit seiner ernsten und geschäftigen Miene machte auf ihn einen eher belustigenden Eindruck.
    »Ich habe das Gefühl, es wäre besser, wenn Sie selber nach Yport fahren! In den fünf Jahren, in denen ich hier lebe, glaubte ich, die Normannen kennengelemt zu haben, aber dieser Familie fühle ich mich nicht gewachsen.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Nichts. Weder ja noch nein, noch dies oder jenes. Sie schauen mich schief an, bieten mir keinen Stuhl an, warten nur darauf, dass ich wieder gehe. Manchmal schauen sie sich verstohlen an, als ob sie zu sich sagten:
    >Erzählen wir ihm was?<
    >Das musst du wissen!<
    >Nein, du!<
    Dann sagt die Mutter etwas, was vielleicht nebensächlich, vielleicht auch wichtig ist.«
    »Was?«
    »Zum Beispiel: >Diese Leute da, die halten zusammen, da wird keiner den Mund aufmachen.<«
    »Was noch?«
    »>Sie müssen einen Grund gehabt haben, meine Tochter nicht mehr zu uns kommen zu lassen.<«
    »Besuchte sie sie nicht mehr?«
    »Nur noch selten, wie ich es verstand. Denn bei denen wird man nicht schlau aus dem, was sie sagen. Es kommt einem vor, als ob sie eine andere Sprache reden. Sie sagen etwas und nehmen es sofort zurück. Dabei kommt heraus, dass wir hier sind, um >diesen Leuten da< Unannehmlichkeiten zu ersparen, und nicht, um die Wahrheit herauszufinden. Sie wollen einfach nicht glauben, dass Rose durch ein bedauerliches Versehen gestorben ist. Wenn man sie so reden hört, hatte man es auf sie und nicht auf Valentine abgesehen.
    Als der Vater nach Hause kam, bot er mir immerhin ein Glas Apfelwein an, weil ich nun

Weitere Kostenlose Bücher