Maigret und die Tänzerin Arlette
Ihnen.«
»Ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung.«
»Das kann ich mir denken.«
Er geleitete sie hinaus, verabschiedete sich ohne das leiseste Lächeln von ihr, schloß dann die Tür leise, reckte und streckte sich von neuem und rieb sich mit beiden Händen den Kopf, wobei er leise seufzte:
»Dreck, lauter Dreck!«
»Kann ich hereinkommen, Chef?«
Es war Lapointe, der ein Blatt Papier in der Hand hielt und sehr erregt wirkte.
»Hast du Bier bestellt?«
»Der Kellner von der Brasserie Dauphine hat gerade alles gebracht.«
Man hatte es noch nicht zu Torrence hineingetragen, und Maigret ergriff das Glas mit kühlem, schaumigem Bier und leerte es in einem Zuge.
»Ruf an, daß er noch eins bringt!«
SIEBENTES KAPITEL
Nicht ohne einen leisen Unterton von Eifersucht sagte Lapointe:
»Ich soll Ihnen übrigens die besten Grüße von dem jungen Julien ausrichten. Sie wüßten schon Bescheid, hat er gesagt.«
»Ist er in Nizza?«
»Er ist vor wenigen Wochen von Limoges dorthin versetzt worden.«
Es war der Sohn eines alten Inspektors, der lange mit Maigret zusammengearbeitet hatte und nach seiner Pensionierung an die Côte d’Azur gezogen war. Aber Maigret hatte den jungen Julien seit der Zeit, da er ihn auf seinen Knien hatte schaukeln lassen, eigentlich nie wiedergesehen.
»Ich habe gestern abend mit ihm telefoniert«, fuhr Lapointe fort, »und bleibe nun weiter mit ihm in Verbindung. Als er erfuhr, daß ich in Ihrem Auftrag anrief und er also gewissermaßen jetzt für Sie arbeiten muß, war er wie elektrisiert und konnte sich vor Eifer gar nicht mehr fassen. Stundenlang hat er auf dem Boden des Polizeireviers in alten Akten gestöbert. Sie scheinen da in gebündelten Haufen, die sich bis zur Decke stapeln, herumzuliegen, und es sind Berichte von sensationellen Fällen darunter, die heute schon längst vergessen sind.«
»Hat er die Akte Farnheim gefunden?«
»Er hat mir eben die Liste der Zeugen durchgegeben, die nach dem Tode des Grafen verhört worden sind. Ich habe ihn vor allem darum gebeten, mir genau zu sagen, wer damals in der Oase gearbeitet hat. Ich lese Ihnen jetzt die Namen vor:
Antoinette Mejat, 19 Jahre, Zimmermädchen;
Rosalie Moncœur, 42 Jahre, Köchin;
Maria Pinaco, 23 Jahre, Küchenmädchen;
Angelino Luppin, 38 Jahre, Kammerdiener.«
Maigret stand währenddessen am Fenster und blickte in den immer spärlicher werdenden Flockenwirbel hinaus. Wie ein Schauspieler, der die Wirkung einer entscheidenden Szene dadurch steigern will, legte Lapointe eine Pause ein, ehe er sagte:
»Oskar Bonvoisin, 35 Jahre, Dienerchauffeur.«
»So, so, ein Oskar«, murmelte der Kommissar nur.
»Aber die wissen wohl nicht, was aus den Leuten geworden ist?«
»Doch. Inspektor Julien hat nämlich eine gute Idee gehabt. Da er noch nicht lange in Nizza ist, ist es ihm besonders aufgefallen, wie viele reiche Ausländer dorthin kommen, die sich für ein paar Monate elegante Villen mieten und, weil sie ein großes Haus führen, immer gleich viel Personal engagieren müssen. Und er hat dann auch ein Stellenvermittlungsbüro entdeckt, das sich ausschließlich damit befaßt.
Es wird seit mehr als zwanzig Jahren von einer alten Dame geleitet. Sie erinnert sich allerdings weder an den Grafen Farnheim noch an die Gräfin und ebensowenig an Oskar Bonvoisin, aber vor kaum einem Jahr hat sie der Köchin, die zu ihren alten Kunden gehört, wieder eine Stellung vermittelt. Rosalie Moncœur arbeitet jetzt bei Südamerikanern, die eine Villa in Nizza haben und einen Teil des Jahres in Paris verbringen. Sie wohnen hier in der Avenue de Jena 132. Nach der Auskunft der Dame sind sie augenblicklich in Paris.«
»Und von den anderen weiß man nichts?«
»Julien forscht weiter nach ihnen. Soll ich zu ihr gehen, Chef?«
Maigret war nahe daran, zuzustimmen, um Lapointe eine Freude zu machen, der sichtlich darauf brannte, die ehemalige Köchin der Farnheims zu verhören.
»Ich gehe selber«, sagte er dann aber doch schließlich.
Im Grunde wollte er frische Luft schnappen und bei der Gelegenheit unterwegs noch ein Bier trinken, überhaupt trieb es ihn aus seinem Büro heraus, dessen Atmosphäre ihm an diesem Morgen so stickig erschien wie selten.
»Du kannst dich inzwischen beim Erkennungsdienst erkundigen, ob dort nichts über Oskar Bonvoisin bekannt ist. Du mußt auch die Meldezettel der Hotels durchsehen. Und dann rufe außerdem bei den verschiedenen Bürgermeistereien und Revieren an.«
»Gut,
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