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Maigret und die Unbekannte

Maigret und die Unbekannte

Titel: Maigret und die Unbekannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sie verschwunden und sollen allerlei Schulden hinterlassen haben.«
    »Hast du in den Akten nachgesehen, ob sich der Name Laboine nicht darin findet?«
    »Das war das erste, was ich getan habe. Aber ich habe ihn nicht gefunden. Ich habe darauf meine Kollegen gefragt. Einem der älteren ist der Name vertraut. Er kann sich jedoch an weiter nichts erinnern.«
    »Geh doch bitte der Sache nach.«
    »Ich werde mein möglichstes tun. Was möchten Sie vor allem wissen?«
    »Alles. Wann das Mädchen Nizza verlassen hat. Was aus ihrer Mutter geworden ist. Wovon sie lebten. Mit welchen Leuten sie verkehrten, übrigens, wenn das Mädchen damals erst fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war, ging sie wahrscheinlich noch zur Schule. Erkundige dich doch bitte in den Schulen der Stadt nach ihr.«
    »Verstanden. Ich rufe Sie dann wieder an, sobald ich Neues weiß.«
    »Frag auch im Kasino nach der Mutter.«
    »Das hatte ich mir schon vorgenommen.«
    Maigret zog seinen Mantel an, setzte den Hut auf und stieg die Treppe hinunter, auf der er einem von zwei Polizisten begleiteten Mann begegnete, den er aber nicht weiter beachtete. Bevor er den Hof durchquerte, ging er in das Büro der Fremdenpolizei. Er hatte die beiden Namen Luise Laboine und Janine Armenieu auf einen Zettel geschrieben.
    »Laß deine Männer doch bitte in den Meldezetteln nach diesen beiden Namen suchen. Vor allem in denen vom vorigen Jahr.«
    Es war besser, der arme Lognon erfuhr nichts davon, daß er so einen Teil seiner Arbeit machte.
    Vor ein paar Minuten war ein Regenschauer niedergegangen, aber die Sonne kam bereits wieder zum Vorschein, und das Pflaster war fast wieder trocken. Maigret war nahe daran, ein vorbeifahrendes Taxi anzuhalten, besann sich dann aber anders und ging langsam zur Brasserie Dauphine, wo er an der Theke stehen blieb. Er wußte nicht, auf was für ein Getränk er Appetit hatte. Zwei Inspektoren, die nicht seiner Abteilung angehörten, unterhielten sich über das Pensionierungsalter.
    »Was darf es sein, Monsieur Maigret?«
    Man hätte glauben können, er sei verstimmt. Aber die ihn kannten, wußten, daß es nicht der Fall war. Er war nur mit seinen Gedanken anderswo.
    »Einen Pernod«, sagte er mechanisch.
    Hatte ihm Dr. Paul nicht gesagt, daß das junge Mädchen, bevor sie die Schläge auf den Kopf bekommen hatte, in die Knie gegangen war?
    Kurz vorher war sie zum Romeo in der Rue Caumartin gegangen, wo einem Taxichauffeur ihr schäbiges Kleid aufgefallen war, wo der Barmixer sie sich zwischen den Tanzenden hatte hindurchdrängen sehen, wo sie mit dem Geschäftsführer und dann mit der Braut gesprochen hatte.
    Darauf war sie im Regen durch die Straßen geeilt. Man hatte sie auf der Place Saint-Augustin und dann am Boulevard Haussmann, an der Ecke des Faubourg Saint-Honoré, gesehen.
    Woran dachte sie? Wohin ging sie? Was hoffte sie?
    Sie hatte sozusagen kein Geld mehr, kaum soviel, daß es für eine Mahlzeit reichte. Die alte Madame Cremieux hatte ihr gekündigt.
    Sie konnte nicht sehr weit gegangen sein, und irgendwo hatte sie Ohrfeigen oder Faustschläge bekommen, war dann in die Knie gegangen, und jemand hatte sie mit einem harten, schweren Gegenstand auf den Schädel geschlagen.
    Nach dem Ergebnis der Autopsie war das gegen zwei Uhr gewesen.
    Was hatte sie in der Zeit von Mitternacht bis zwei Uhr getan?
    »Seltsames Mädchen«, murmelte er.
    »Wie bitte?« fragte der Kellner.
    »Ach nichts. Wie spät ist es?«
    Er fuhr zum Mittagessen nach Hause.
    »Den ganzen Morgen habe ich«, sagte Madame Maigret, während sie aßen, »über die Frage nachgedacht, die du mir gestern abend gestellt hast. Es gibt noch einen anderen Grund für ein junges Mädchen, ein Abendkleid anzuziehen.«
    Er war nicht so rücksichtsvoll zu ihr wie zu Lognon und brummte zerstreut:
    »Ich weiß. Sie hat sich für eine Hochzeit feingemacht.«
    Madame Maigret sagte darauf nichts mehr.

 
    FÜNFTES KAPITEL
     
     
     
    An diesem Nachmittag blickte Maigret ein paarmal von seinen Papieren auf und betrachtete den blauen Himmel mit den goldumrandeten Wolken und die Sonne, die über die Dächer rieselte. Ex unterbrach seufzend seine Arbeit und ging ans Fenster, um es zu öffnen.
    Jedesmal hatte er so kaum ein bißchen Frühlingsluft geschnuppert, die seiner Pfeife einen besonderen Geschmack gab, da begannen die Papiere sich schon zu bewegen und flogen vom Schreibtisch in alle vier Ecken des Zimmers.
    Die Wolken am Himmel waren plötzlich nicht mehr weiß und golden, sondern

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